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Der Mann vom Fluss

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Das Geistliche Wort | 29.09.2013 | 08:40 Uhr

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Der Mann vom Fluss

Musik 1 CD Fascinoma, Track 1 Nature Boy, Interpreten: Jon Hassell/Ry Cooder/Jacky Terrasson, Komponist: Eden Ahbez; Label: Water Lily Acoustics, 2011, Track-Länge: 2:48, LC: 10416.


Er trug einen verwaschenen Mantel aus Kamelhaaren, zusammengehalten von einem Gürtel. Heuschrecken und wilden Honig aß er und lebte an einem Fluss, nahe der Hauptstadt. Dort lud er die Menschen ein, sich untertauchen zu lassen. Er reinigte sie, um sie aus ihrem Alltagsleben aufzuwecken. Seine Eltern waren angesehen in der Gesellschaft, er aber war ausgestiegen.


Musik 1


Liebe Hörerin, lieber Hörer, mein Name ist Dirk Brall, ich bin Schriftsteller und leite den Kirschkamperhof, einen umgebauten Bauernhof für Kinder und Jugendliche. Wir erzählen hier Geschichten von Menschen, aus dem Leben und aus der Bibel. So wie die von Johannes. Einem Aussteiger, der das Leben suchte. Hören Sie, was er erzählt.


Musik 1


Mein Vater Zacharias hatte sich mein Leben bestimmt anders vorgestellt. Er arbeitete als Priester im Tempel. An einem Feiertag kamen die Menschen dorthin, um ihn zu hören. Er ging hinein, ins Allerheiligste, um zu beten.

An diesem Feiertag wandte er sich dem Altar zu. Sammelte seine Gedanken. Dachte an seine Frau, an die Menschen draußen, vielleicht auch das fehlende Wunder in seinem Leben. Denn ich war noch nicht und meine Eltern waren sehr alt. Mein Vater versuchte sich auf seine Worte zu konzentrieren, die Stille aufzunehmen, als ein Engel neben ihm stand. Er muss meinen Vater sehr erschreckt haben. Mein Vater drehte sich weg.

Fürchte dich nicht, sagte der Engel zu ihm. Doch das Herz meines Vaters bebte. Da sprach der Engel
weiter: „Dein Gebet ist erhört, Zacharias. Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben. Viele werden sich über seine Geburt freuen.“

Und noch etwas sagte der Engel über mich: Mein Leben würde zwischen suchender Unruhe und geborgener Gewissheit pendeln. Und mit mir würde sich die Welt verwandeln. Die Herzen der Väter würden sich zu den Kindern wenden. Und die Widerspenstigen zur Klugheit. Was für Sätze. Ich habe lange gebraucht, um diese Worte später anzunehmen.

Erschrocken tat mein Vater damals einen Schritt zurück. „Woran soll ich erkennen, dass du nicht lügst“, fragte er den Engel. „Ich bin alt und meine Frau auch.“

„Du wirst stumm werden, bis zu dem Tag, an dem das Kind geboren wird.“, sagte der Engel.

Manche haben das als Strafe ausgelegt. Manchmal muss man stumm werden, um nicht alles zu zerreden. Wer etwas Ungewöhnliches erlebt, braucht manchmal Jahre, um darüber sprechen zu können.

An diesem Tag wartete das Volk draußen auf meinen Vater. Ungeduldig verlangten sie nach seinen Worten. Aber als er endlich aus dem Dunkel des Tempels heraustrat und seinen Mund öffnete, kam kein einziges Wort aus ihm heraus. Stattdessen konnte er nur die Hand heben und winken. Erst murrten die Menschen, doch die, die genauer hinsahen, spürten, dass etwas Besonderes geschehen war. Glanz lag auf seinem Gesicht.


Musik 1


Dann wurde meine Mutter schwanger. Sie wunderte sich, doch mein Vater nickte stumm. Hätte er sprechen können, hätte er es ihr erklärt. Aber dieses Glück brauchte keine Erklärung.

Meine Mutter bekam Besuch. Ihre Verwandte. Sie sahen sich selten. Zu anstrengend war der Weg über die Berge, von Nazareth in die Hauptstadt. Jung war sie, sehr jung, so viel zu jung, wie meine Mutter zu alt war.

Auch ihr war ein Engel begegnet. Auch sie hatte sich erschreckt. Und auch sie hörte die tröstenden Worte: Fürchte dich nicht. Manchmal glaube ich, dass es eigentlich im Leben keine anderen Worte braucht. Nur diese drei. Mit denen könnte man das Leben meistern.

Hätten die beiden Mütter gewusst, was mit ihren Kindern geschieht, wer weiß, was sie noch erzählt hätten. Oder haben sie es geahnt?

Maria blieb ein paar Tage, dann musste sie zurück in ihre Stadt, wo ihr Verlobter lebte. Die Wege kreuzten sich nicht oft. Bis zu dem Tag, als wir uns am Fluss begegneten. Als ich einige Wochen später auf die Welt kam, fragten alle, wie ich heißen sollte. Meine Mutter zuckte die Achseln. Sie zeigte auf meinen Vater. Der nahm eine Tafel und schrieb in großen Buchstaben: JOHANNES. Und als er beim letzten Buchstaben war, löste sich seine Zunge. Er wiederholte den Namen und die Menschen gratuliertem ihm.


Musik 2 CD Last Day At The Lodge, Track 1 Listen, Interpret: Amos Lee, Label: Blue Note Universal, 2008, Track-Länge: 3:13, LC: 00133.


„Du hattest von Anfang an einen starken Geist“, erzählte meine Mutter. Ich fragte sie, was sie damit meinte, und sie sagte, ich sei wach und empfindsam gewesen, neugierig – auf die Menschen, auf alles, was mich umgab. Aber noch mehr mochte ich die Stille des Morgens, wenn das Licht durchs Fenster ins Haus und über mein Gesicht huschte und mich nach draußen trieb. Als meine Freunde dann in die Lehre gingen als Kaufmann oder Bäcker, Schuster oder Richter, sagte ich meinen Eltern: „Ich muss weg. Ich muss raus. Ich will wissen, was wichtig ist im Leben und was nicht.“ Mich zog es in die Wüste. Und vielleicht haben meine Eltern geahnt, dass ich diesen Weg gehen musste. Und sie vielleicht nicht mehr wiedersehen würde.

Die Wüste ist still wie ein Morgen, der nicht vergeht. Wie ein ständiges Werden. Jedes Wort klingt nach. Was geht, geht. Was bleibt, bleibt.

Während meine Eltern mit ihren Traditionen lebten, suchte ich einen anderen Weg. Ich mochte keine kostbaren Leinentücher tragen. Mir reichte ein Mantel, den ich mal einem Kameltreiber abgekauft hatte. Den Gürtel hatte ich selbst gegerbt und zurechtgeschnitten. Die Wüste kennt nur Extreme, Hitze und Frost. Abends legt man seinen Kopf auf einen Stein, der noch warm ist von der Sonne und in der kalten Nacht etwas wärmt.


Musik 2


In einer Nacht stand ich auf, über mir die Sterne. Ich hörte Worte kommen und gehen und wusste, dass die lange Zeit der Stille vorbei war. Die Herzen der Väter werden sich zu den Kindern wenden, und die Widerspenstigen zur Klugheit. Die Sätze meines Vaters kamen wieder.

Ich musste mich nicht entscheiden. Ich war so still und leer geworden, dass die Worte wachsen konnten. Ich wusste, dass etwas kommen würde, das ich nur erahnte. Mein Vater hatte mir oft aus den Schriften erzählt. Vom Warten auf den Einen, der Recht sprechen und Frieden bringen würde.

Ich ging zum Fluss und sprach mit den Menschen, die dorthin kamen. Kehrt um, sagte ich. Wendet euch. Hebt den Blick. Hört hin. Werdet leer. Flieht nicht. Die Wüste ist nicht das Ende. Sie ist der Anfang. Unterbrecht euer Leben. Damit sie verstanden, was ich meinte, ging ich mit ihnen in den Fluss und tauchte sie unter, kühlte sie ab, reinigte sie, taufte sie. Es kamen viele.

Abends zog ich mich zurück und morgens stand ich wieder am Fluss. Ich war aufgeladen von den vielen zurückgezogenen Monaten. Die Menschen fragten mich, was sie tun sollten, wenn sie wieder in die Hauptstadt gingen. Ich nahm ihre Fragen mit in die Nacht. Und dann sagte ich ihnen am nächsten Tag:

„Hast du zwei Hemden? Dann gib dem eins ab, der keines hat.

Hast du genug zu essen, tue das gleiche.

Fordere nicht mehr, als dir vorgeschrieben ist.

Tue niemanden Unrecht.

Freu´ dich über das, was du hast.“

Es waren keine neuen Worte. Jede Zeit hat diese Worte formuliert. Aber die Menschen nahmen sie neu auf. Manche dachten, ich sei ihr Erwarteter. Ihr Messias, ihr Retter. Aber die Wüste hatte mir gezeigt, wer ich war. Ich bin nur der Rufer. Ein Aufräumer. Ein Wachrüttler. „Wartet“, sagte ich den Menschen. „Ich bin nicht der Weg. Nur der Wegbereiter. Ich bin nicht das Licht. Es scheint durch mich hindurch.“ Ich taufte weiter die Menschen im Wasser, reinigte ihre Körper, Ohren und Herzen.


Musik 2


Ich weiß noch den Tag, der anders war als alle anderen. Wie seit Wochen waren schon früh morgens die Menschen am Fluss. Sie drängelten sich am Ufer. Sie wollten die ersten sein. Aus den hinteren Reihen sah mich jemand an. Sein Blick blieb interessiert an mir. Immer wenn Menschen aus dem Wasser stiegen, und er vorrückte und unsere Blicke sich trafen, lächelte er mir zu.

Es waren nicht mehr viele vor ihm, als ich ahnte, wer er war. Ich erkannte den Erwarteten. Seinetwegen reinigte ich die Menschen hier im Fluss, bereitete sie vor auf seine Ankunft. Alle um ihn herum schwätzten oder schauten auf mich. Aber ich sah nur zu ihm.

Als er am Ufer stand, ging ich aus dem Wasser, kniete mich nieder und sagte: „Bitte reinige mich.“ Aber er hob die Hand, um mir zu zeigen, dass ich wieder aufstehen sollte. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Bitte tauche du mich unter.“ Er wollte genauso wie die Menschen vor und nach ihm behandelt werden. Und ich ging mit ihm ins Wasser. Meine Füße suchten Halt auf den glitschigen Steinen. Ich legte meine Hand auf seinen Kopf und tauchte ihn unter. Als er aufkam, war es still um uns. Es war so still, dass überall Jubel zu hören war. Wie bei einem Fest.

Eine Taube flog über uns oder war es doch nur ein Wind? Wie eine Feder streifte uns ihr Flug. Und dann, ich habe diese Stimme noch im Ohr, hörten wir diese Worte, hell und klar wie das Blau am Himmel: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ Ich habe nie die anderen Menschen gefragt, ob sie das gleiche gehört haben. Ich war mir sicher, dass sie es hatten. Denn jeder sah auf ihn und zugleich in sich selbst hinein.

Ich habe kaum weitere Worte mit ihm gewechselt. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sein Vater war Zimmermann und seine Hände sahen auch danach aus. Er stieg aus dem Wasser und ging den Weg, den ich gut kannte. Nicht zurück in die Hauptstadt, sondern raus in die Wüste. Ich blieb an diesem Tag lange am Fluss und sagte den Menschen: „Reinigt euch. Werdet leer. Damit ihr hören könnt. Er ist mitten unter uns.“


Musik 2


Liebe Hörerin, lieber Hörer, hier endet die Geschichte. Und für Sie beginnt ein neuer Tag. Johannes, genannt der Täufer, erinnerte die Menschen daran, das Leben zu unterbrechen. Dieser Sonntag heute unterbricht Ihren Alltag. Hören Sie hin. Gute Worte wünscht Ihnen Dirk Brall von der evangelischen Kirche.


Musik 2


Musik 1:

CD-Name:



























Jon Hassel - Fascinoma
Track-Name/-Nr.:














Nature Boy / Track 1
Interpret:




























Jon Hassel
Komponist:

























Eden Ahbez

Textdichter:























------

Verlag:
































unbekannt

LC-Nr.

































10416

Label:


































Water Lily Acoustics. 2011
Tracklänge:























2:48

WDR-Archiv-Nr.:














nur auszufüllen wenn Musik aus dem WDR-Archiv stammt


Musik 2:

CD-Name:



























Last Day At The Lodge
Track-Name/-Nr.:














Listen /
Track 1
Interpret:




























Amos Lee

Komponist:

























Amos Lee

Textdichter:
























Amos Lee

Verlag:
































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LC-Nr.

































00133

Label:


































Blue Note Universal, 2008

Tracklänge:























3:13



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