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Kirche in WDR 5 | 27.12.2022 | 06:55 Uhr

Das Betthupferl

Guten Morgen.

„Hier, das ist Dein Zimmer“, sagt Paula. Die Sechsjährige macht die Tür zu ihrem Kinderzimmer auf. Ein weißes Bett mit rosafarbener Bettwäsche mit Einhörnern drauf erwartet mich. Über dem Bett ein Regal mit Stofftieren und einer Lichterkette aus Herzchen. Paula hat ihr Zimmer für mich freigemacht, damit ich hier übernachten kann auf meiner Dienstreise. Dabei kennt sie mich gar nicht. Und ich kenne sie auch noch nicht. Nur ihre Mutter, eine Kollegin.

Am Abend, als ich schlafen gehen will, entdecke ich ein selbstgemaltes Bild auf dem Kopfkissen und in krakeliger Schrift steht da: „Herzlich willkommen, Petra! Schlaf gut.“ Dazu Paulas Lieblingssüßigkeit als Betthupferl und eine Flasche Wasser auf dem kleinen Hocker neben dem Bett. „Das hat Paula alles ganz allein gemacht“, sagt Paulas Mama. „Auch das Bild.“ Ich bin gerührt. Ein Kind, das mich noch gar nicht kennt, macht, dass ich mich an einem fremden Ort geborgen und willkommen fühle.

Purer Luxus auf meiner Dienstreise. Für andere lebensnotwendig.

In diesem Jahr sind fast 1 Million Kinder und Erwachsene (1) nach Deutschland gekommen, auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine. Und viele Kinder, die hier leben, haben Willkommensbriefe und -geschenke für sie gebastelt. Viele Familien sind zusammengerückt und haben spontan Zimmer freigemacht für die Menschen aus der Ukraine. Ohne zu wissen, wie lange die Geflüchteten bleiben würden. Wann sie zurück in ihre Heimat können. Ob überhaupt. Aber erst einmal ist da ein Bett. Ein „Herzlich Willkommen, Ana, Kristina, Denis und Artem!“-Schild, vielleicht auch ein Betthupferl, eine Lichterkette und ein Stofftier.

Alles andere wird sich finden. Und viele Familien fragen die geflüchteten Menschen erstmal: Was braucht ihr? Womit können wir euch helfen? Manche haben Platz genug, damit die eigenen Kinder und die aufgenommenen Kinder ihren eigenen Bereich haben. Rückzugsraum ist für alle wichtig.

Aber auch eine Übersetzerin, vielleicht auch eine psychologische Beratung. Viele Kinder wollen rasch zur Schule und die Erwachsenen wollen arbeiten. Es ist großartig, wie viele Menschen in diesem Jahr ihre Türen für die geöffnet habe, die mit fast nichts hier ankommen. Oder die helfen, Räumlichkeiten anderswo herzurichten und freizumachen. Ich würde mir wünschen, dass das für alle gilt, die zu uns flüchten. Und dass die Behörden und Ämter für alle Geflüchteten – gleich aus welchem Land sie zu uns kommen – lösungsorientiert für die Menschen arbeiten. Dass alle lernen und arbeiten dürfen und nicht zum Warten verdammt sind.

„Gott spricht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn.“ (Die Bibel, Jesaja 58,7)


Viele tun sich schwer damit, Menschen bei sich zu Hause und in den eigenen vier Wänden aufzunehmen. Dafür gibt es gute Gründe. Und das ist völlig in Ordnung. Es gibt genügend andere Möglichkeiten zu helfen: mit einer Geldspende an eine der großen oder kleinen Hilfs-Organisationen zum Beispiel. Oder man kann mitarbeiten bei einer ehrenamtlichen Initiative vor Ort, die sich um Kleidung, Sprachunterricht, Begegnung, Schule, Arztbesuch und so vieles andere kümmert.

Das Betthupferl und das Willkommensschild, die offenen Türen und Herzen, die Spenden und das Mitmachen, das Mitgefühl und die tatkräftige Mithilfe, damit Menschen, die ihren Lebensraum verloren haben, neue Heimat finden – all das rührt Gottes Herz. Er weint mit den Traurigen und freut sich mit den Fröhlichen, heißt es.


Momente der Geborgenheit wünscht Ihnen, Petra Schulze, Rundfunkpfarrerin in Düsseldorf.



(1) Statistisches Bundesamt:

https://www.destatis.de/DE/Im-Fokus/Ukraine/Gesellschaft/_inhalt.html (Abruf 13.12.22)

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