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Das Geistliche Wort | 19.03.2023 | 08:40 Uhr

Machen Kleider wirklich Leute?

Guten Morgen!

„Kleider machen Leute!“ Das Sprichwort hat von seiner Bedeutung bis heute nichts verloren. Es geht zurück auf den gleichnamigen Roman von Gottfried Keller, der bereits vor knapp 150 Jahren erschienen ist. Keller erzählt vom mittellosen Schneidergesellen Wenzel, der seine Armut mit guter Kleidung kaschiert. Aufgrund einer Verwechslung und wegen seiner eleganten Kleider wird er im Ort Goldach für einen polnischen Grafen gehalten. Zu schüchtern, um diesen Irrtum aufzuklären, spielt er die Rolle des Grafen eine Weile mit. Er lernt Nettchen, die Tochter des Amtsrats, kennen. Wenzel und Nettchen verlieben sich ineinander. Und obwohl die Täuschung auffliegt, hält Nettchen zu Wenzel, der ihr seine wahren Gefühle bezeugen kann. Nettchen hört ebenfalls auf ihr Gefühl und schaut nicht auf die Kleider. Die beiden heiraten. Zusammen ziehen sie nach Seldwyla, wo Wenzel sich zum erfolgreichen Geschäftsmann entwickelt.

Die Geschichte hat nichts an ihrer Aktualität verloren! Menschen lassen sich auch heute noch schnell von Äußerlichkeiten blenden „Markenklamotten“, schnelle und teure Autos und Schmuck, oder der Verzehr teurer Speisen wie Trüffel, Champagner und Kaviar erwecken den Anschein von Reichtum. Du musst nur überzeugend genug auftreten, dann gelangst du mühelos in gesellschaftliche Kreise und Schichten, in die du sonst nie kommen würdest.


Musik I: Haydn, Klaviersonate Nr. 35, As-Dur Hob, XVI; 43


„Kleider machen Leute!“ Geht es also bei der Kleidung doch um mehr als nur darum, schlichtweg angezogen zu sein? Ja, genau! Denn wir kommunizieren nicht unerheblich auch über unsere Kleidung. Ob im Privatleben und im Job: Es gilt gleichermaßen: Die Kleidung sendet eine Botschaft! Mag das noch so banal klingen: Es stimmt doch – Kleidung ist Markensymbol!

Noch bevor es irgendwelche Marken gab, hoben sich Menschen bereits über Material und Farbe ihrer Kleidung von der Masse ab. Und je außergewöhnlicher die Kleidung, desto beachtenswerter war und ist sie! Alte Herrschergemälde zum Beispiel zeigen mächtige Persönlichkeiten im roten Samtmantel, der mit dem Rot der teuren Purpurschnecke gefärbt wurde. Und man kann sich ja denken: Wie viele Schnecken muss ich züchten, damit ich genug Farbstoff bekomme, um damit den Samtmantel zu färben. Gefüttert war er dann noch mit feinem Hermelinfell, die auch nicht einfach zu bekommen waren. Letztlich waren diese Kleidungsstücke Zeichen der Macht und des gesellschaftlichen Standes. Und es gibt sie seit dem Mittelalter sowohl bei adeligen als auch kirchlichen Würdenträgern. Bestimmte Farben wie Rot zum Beispiel waren deshalb lange Zeit auch nur Herrschern vorbehalten.


Musik II: Bach, Brandenburgisches Konzert Nr.2, 1. Satz


„Kleider machen Leute!“ Kleidung ist eben Statussymbol! Deutlich erlebbar ist das für mich besonders in der Jugendkultur. Jugendliche orientieren sich oft an ihren Peergroups. Was angesagte Leute tragen, das wollen sie selbst auch tragen. Egal ob es sich dabei um Sportmarken, Nobelmarken oder das neuste iPhone handelt. Man orientiert sich an bestimmen Vorbildern und übernimmt deren Outfit, um quasi in deren Rolle zu schlüpfen, ja, um anders, um mehr zu sein als man tatsächlich ist. Und damit hebt man sich gleichzeitig auch von den anderen Altersgenossen ab.

Es geht aber nicht nur um die Markenartikel an sich. Es geht auch um das Verhalten in einer Kleidung und um die Pflege der Kleidung. Als langjähriger Personalchef im Erzbistum Paderborn weiß ich wovon ich rede. Mir fällt zum Beispiel auf, ob sich jemand in formaler Kleidung wohl fühlt oder nicht. Das hängt damit zusammen, ob der- oder diejenige es gewohnt ist, sich so zu kleiden. Bewegt er oder sie sich souverän in den Klamotten oder eher ungelenk, weil sie ungewohnt sind und eigentlich gar nicht zum jeweiligen Typ passen. Und meine Beobachtungen gehen noch weiter, denn das allein muss ja noch nichts Schlimmes bedeuten. Es muss nicht zwangsläufig die teure Luxusmarke sein. Wie sieht es mit der Pflege der eigenen Kleidung aus? Kommt jemand zu mir mit ungebügelter Jacke? Sind die Schuhe dreckig, die Bluse knittrig? Das fällt viel eher auf als ein Preisschild. Und was sagt das über den- und diejenige aus, die so herumläuft?

Interessant finde ich, wenn Kleider etwas sagen über die Branche, in der jemand arbeitet. Wer als Versicherungsmakler oder Herrenausstatter im Berufsalltag regelmäßigen Kundenkontakt hat, von dem wird entsprechende und gepflegte Kleidung erwartet. Selbst wenn der Kunde nicht ebenso fein gekleidet ist.

Andersherum gilt natürlich auch: Kleidung kann Distanz schaffen. Ein Chef zeigt seine überlegene Rolle durch sein Outfit. In anderen Jobs – etwa sozialen Bereichen – kann durch ähnliche Kleidung eine Nähe zum Klienten aufgebaut werden.

Und: Schaut nicht der, der beruflich vorankommen möchte, wie die Vorgesetzten auf dem nächsten Hierarchielevel gekleidet sind? Auch wenn Kleider Leute machen: Bei der Kleiderwahl geht es nicht nur um das eigene Bedürfnis nach äußerer Wirkung. Manchmal kann es vorteilhafter sein, nicht im sündhaft teuren Anzug aufzutreten, wenn der Chef eher leger gekleidet ist.


Musik III: Albeniz, Asturias


„Kleider machen Leute!“ Es ist nicht nur eine Redewendung, es ist auch ein Phänomen, was inzwischen vielfach wissenschaftlich bestätigt ist. Verschiedene Studien zeigen, wie Kleidung unser Denken und Fühlen beeinflusst. Hochstatus-Klamotten wie Anzug oder Kostüm verbessern nicht nur die Durchsetzungsfähigkeit der Träger, sondern auch ihre Leistung. Wer zum Beispiel klassische Business-Kleidung – also etwa Anzug und Krawatte – trägt, der- oder diejenige erzielte in den Verhandlungen deutlich bessere Ergebnisse als andere Gruppen in gemütlichen Sweatshirts. Laut einer Studie sorgt formale Kleidung sogar dafür, dass sich die Träger unmittelbar mächtiger und bedeutsamer fühlen.

Kleider machen Leute, indem ihnen durch das, was sie anziehen, ein sozialer Status und bestimmte Fähigkeiten zugeschrieben werden. Auch das haben Studien gezeigt: Gut gekleidete Schüler und Lehrer wirken intelligenter. Wird die Kleidung von Menschen als teuer und hochwertig wahrgenommen, wirken die Träger kompetenter als bei einfacherer, günstigerer Kleidung.

So ernüchternd die Ergebnisse dieser Studien sind: Es stimmt offenbar: Kleider bewirken Vorurteile. Und das betrifft im negativen Fall besonders die Personen, die ohnehin schon einen niedrigeren sozialen Status haben aufgrund von Herkunft, Bildung, Einkommen. Sie stehen oft vor zusätzlichen Schwierigkeiten, wenn sie sich präsentieren und behaupten müssen und sich dann durch ihre Kleidung verraten.

Aber gerade da ist die Erkenntnis aus dem Roman von Gottfried Keller „Kleider machen Leute“ doch ein wichtiges Korrektiv. Es kommt eben doch auf den Charakter und die Gefühle der einzelnen Menschen an. Und das gilt es sich immer wieder bewusst zu machen: Äußerlichkeiten mögen manche Menschen täuschen. Häufig gelingt das aber nur über einen gewissen Zeitraum. Echte Werte und Emotionen setzen sich am Ende durch und überwinden sogar Hürden wie einen Standesunterschied. Und die Wandlung Wenzels im Laufe des Romans zeigt doch gerade, dass es auch möglich ist, mit ehrlichen Methoden zum Erfolg zu gelangen. Oder anders formuliert: Qualität setzt sich durch. Die schönen Kleider allein helfen nicht.


Musik IV: Mozart, Die Zauberflöte: Der Vogelsänger bin ich ja


Machen Kleider wirklich Leute? Als Priester und Theologe schaue ich natürlich auch noch einmal anders auf dieses Thema. Und dabei hilft mir der Blick in die Bibel. Sie sieht den Umgang mit der äußerlichen Kleidung kritisch. Im Johannesevangelium mahnt Jesus zum Beispiel seine Zuhörer eindringlich (Joh. 7,24):


Sprecher:

„Urteilt nicht nach dem Augenschein, sondern urteilt gerecht.“


Die Bibel weiß offensichtlich um die Schwäche des Menschen, jemanden nach seinem Aussehen zu beurteilen. Diese kurze Textstelle will allerdings ermutigen, sich von den Äußerlichkeiten nicht beeindrucken oder gar blenden zu lassen, sondern hinter die Kulissen zu schauen. Denn hinter all den Äußerlichkeiten steckt doch oft mehr und oft ganz anderes. Und das gilt es mit zu sehen und mit zu berücksichtigen. Denn nur dann wird mein Urteil, meine Meinung über jemanden eher richtig und gerecht sein. Jesus selbst hat ja danach gehandelt und ist konsequent danach vorgegangen: Er ist gerade auf Bettler, und Menschen am Rande zugegangen. Für ihn war es wichtiger, wie jemand denkt und ob er offen ist für die Botschaft Gottes, als dass er sich durch äußerliches Gehabe profiliert. Allerdings hat ihm diese Haltung damals nicht nur Freunde beschert.

Dann finde ich aber noch eine andere Stelle in der Bibel. Im Epheserbrief des Apostels Paulus geht’s auch um Kleidung – aber im übertragenen Sinne. Er vergleicht nämlich das Leben als Christ mit dem Tragen neuer Kleidung. Und das hat Konsequenzen. Und so schreibt Paulus an die Christen in der Stadt Ephesus (Eph 4,22-24):


Sprecher:

„Ihr sollt euer altes Leben wie alte Kleider ablegen. Folgt nicht mehr euren Leidenschaften, die euch in die Irre führen und euch zerstören. Lasst euch in eurem Denken verändern und euch innerlich ganz neu ausrichten. Zieht das neue Leben an, wie ihr neue Kleider anzieht. Ihr seid nun zu neuen Menschen geworden, die Gott selbst nach seinem Bild geschaffen hat.“


Ich frage mich: Ist das wirklich so einfach? Lässt sich das Leben so leicht ändern, so leicht wie es ist, einfach mal andere Kleider anzuziehen? Mag das Anziehen neuer Kleider vielleicht auch schön sein und Freude bereiten – immerhin ist es ja was Neues, was man da trägt. Aber gilt das auch für die Änderungen meines Lebensstils?

In beiden Fällen braucht es eine Entscheidung. Ich vergleiche das mit der Situation, wenn ich vor meinem Kleiderschrank stehe, der mir eine Auswahl meiner Kleidungsstücke zeigt und ich mich dann entscheiden soll, was ich nun anziehe. Und so ist es doch auch mit der Frage der Ausrichtung meines Lebens. Was soll ich tun? Was ist das Ziel meines Lebens? Wo liegt meine Berufung?

Wie vor dem Kleiderschrank gilt es abzuwägen. Und ich weiß natürlich: Viele sind unsicher, wissen nicht so recht und wollen sich nicht festlegen. Und was für die Kleiderfrage gilt, das gilt dann auch für die existentiellen Themen. Eine Haltung wie „Auch-ganz-nett“ bringt da nicht weiter. Es braucht schon eine Entscheidung und damit eine Entschlossenheit. Und da hilft es für sich zu wissen, was gut und wichtig für das eigene Leben ist.

Übrigens: Für mich klingt in dem Text des Paulus eine schöne Verheißung mit, die mich immer wieder neugierig macht, das neue Kleid als Christ anzuziehen. Denn da hieß es (Vgl. Eph 4,24):


Sprecher:

„Zieht das neue Leben an, wie ihr neue Kleider anzieht. Ihr seid nun zu neuen Menschen geworden, die Gott selbst nach seinem Bild geschaffen hat.“


Das Kleid als Christ anzuziehen, heißt Gott ähnlicher zu werden! Was für eine Verheißung. Und die fängt bei mir an, so, wie Jesus auf die Menschen zu schauen und nicht dem äußeren Schein, der Kleidung zu trauen, sondern dahinter zu schauen. Und dazu muss ich mich immer wieder entschließen. Aber ich bin mir sicher: Was ich dann erlebe ist so, wie das tragen neuer Kleider!


Musik V: Eduardo Chillida, Homage á Johann Sebastian bach Partita h-Moll (bearb. Gitarre) BWV 1002


Noch ein letzter Gedanke zu den Kleidern. Paulus beschreibt an einer anderen Stelle einmal konkret, was es bedeutet, diese neuen Kleider als Christ zu tragen (Kol.3,12-14):


Sprecher:

„Bekleidet euch mit herzlichem Erbarmen, Freundlichkeit, Bescheidenheit, Milde, Geduld. Ertragt einander! Seid nicht nachtragend, wenn euch jemand Unrecht getan hat, sondern vergebt einander, so wie der Herr euch vergeben hat. Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist!“


Und was das bewirkt, das sagt Paulus dann auch noch (Kol 3,15):


Sprecher:

„Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen.“


So ein Kleid zu tragen, dass wäre es doch? Und dann will ich auch gerne sagen: „Kleider machen Leute!“ Denn entscheidend ist es, mit welcher Haltung ich mein Leben gestalte.

Aus Brakel im Kreis Höxter grüßt sie Ihr Pfarrer Andreas Kurte


Musik VI: Anonymus (16. Jh.) Guardame las Vacas


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