Beiträge auf: wdr5
Kirche in WDR 5 | 25.03.2023 | 06:55 Uhr
Neulich im Gottesdienst
Guten Morgen!
Neulich war ich im Gottesdienst! Nun werden Sie sich fragen, was daran besonders ist? Als Pastor geht man doch sonntags in den Gottesdienst. Richtig, und trotzdem war es etwas anders. Und zwar so:
Ich habe frei, ich muss nicht in meiner
Gemeinde predigen! Und da denk' ich mir, geh' doch einfach mal in die nächste
Kirche. Besuche doch mal deine Nachbarn sozusagen. Schnell im Internet nachgesehen,
der Gottesdienst fängt schon um 9.30 Uhr an! Der Weg ist aber nicht weit, so komme
ich noch rechtzeitig an. Die Kirche ist zu. Zum Glück sind da noch andere
Gottesdienstbesucher und die sprechen von der "Winterkirche" im
Gemeindezentrum um die Ecke.
Wir also hin. Ich sitze in einem hellen, warmen Gemeindesaal umringt von
fremden Menschen. Die Lieder sind zum großen Teil bekannt, der Ablauf nicht
ganz so. Im Liederbuch finde ich ein Gottesdienstprogramm mit dem Ablauf. Das finde
ich gut.
Die Pastorin beginnt zu predigen. Den Bibeltext kenne ich natürlich. Die Pastorin
legt ihn sehr aktuell aus. Nicht schlecht, denke ich. Ich gebe es zu, ich bin
kein guter Predigthörer. Immer denke ich, das würde ich anders machen, der Satz
war viel zu lang, und da könnte man doch anders…
Und plötzlich schießt mir ein Satz mitten durchs Herz. Die Pastorin sagt
sinngemäß: "Manchmal fühlen wir ein
tiefe Traurigkeit, weil wir einen lieben Menschen verloren haben. Diese
Traurigkeit kostet uns Kraft." Volltreffer. Mir kommen fast die
Tränen.
Ich wollte es ja irgendwie nicht wahrhaben. Im Sommer letzten Jahres ist meine Schwester mit 64 Jahren an Krebs gestorben. Mit ihren zwei erwachsenen Kindern zusammen haben wir sie begleitet, begleitet bis zu ihrem Ende im Hospiz. Meine Schwester hat an Gott und die Auferstehung geglaubt. Das war und ist mein Trost.
Und so dachte ich damals: "Wird schon wieder." Und wunderte mich im
letzten halben Jahr, warum mir manches so schwerfällt. Natürlich denke ich oft
an meine große Schwester. Mit Dankbarkeit, mit schönen Erinnerungen, mit
Trauer. Aber so manche Traurigkeit der letzen Monate konnte ich nicht
einordnen. Und auch nicht, warum ich manche Sachen nur mit Mühe erledigen
konnte. Vorher hatte ich die mit Leichtigkeit und Freude gemacht. Nun dauert
alles viel länger. Hinterher bin ich erschöpft.
Dieser eine Satz aus der Predigt in mein Herz hinein hat mir die Augen
geöffnet. Die Trauer kostet Kraft. Da hat Gott direkt zu mir gesprochen, davon
bin ich überzeugt.
Die Pastorin hat natürlich auch Vorschläge, wie neue Kraft getankt werden kann. Das kannte ich natürlich auch schon. Aber es war nötig, dass ich das nochmal gesagt bekam:
beten, in der Bibel lesen, andere treffen, im Verein, im Freundeskreis, im Gottesdienst, Abendmahl feiern. Ach übrigens, morgen ist Sonntag, und in vielen Kirchen und Gemeinden ist Gottesdienst. Vielleicht hören Sie ja dort auch so einen Satz, der durchs Herz geht. Das wünsche ich Ihnen, von Herzen!
Ihr
Pastor Heddo Knieper aus Soest.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze