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Das Geistliche Wort | 18.06.2023 | 08:40 Uhr

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Good day sunshine

Musik 1: Good day sunshine

Komponist: John Lennon; Interperten: The Beatles; Album: Revolver; Label: Calderstone Productions Limited (a division of Universal Music Group); LC: 97777


Autorin: Good Day sunshine … Guten Tag Sonnenschein. Mit diesen Worten der Beatles grüße ich sie ganz herzlich an diesem Sonntagmorgen, dem „Dies solis“, dem Tag der Sonne. Wie es bei Ihnen heute am Himmel aussieht, vermag ich nicht zu sagen. Sonnenschein gibt es hier auf jeden Fall musikalisch.

Vielleicht sitzen sie gerade beim Frühstück oder im Auto. Und ich sage Ihnen, sie können sich freuen! Darüber, dass ihr Erdbeermarmeldaden-Brötchen ruhig auf dem Teller liegt und ihr Auto nicht über der Straße schwebt. Sie genießen den Sonntag mit Schwerkraft und hoffentlich innerer Leichtigkeit.

Das ist nicht selbstverständlich. Die Besatzung der Internationalen Raumstation (ISS) wurde auch mal mit „Good Day Sunshine“ begrüßt. Als sogenannter Wake Up-Call wurde das Lied von einem Konzert per Liveübertragung von Anaheim, Kalifornien in den Weltraum geschickt. Bei Ihnen zuhause bringt der Song vielleicht die Knie zum Wippen aber zum Glück nicht das Geschirr zum Fliegen. Für die Besatzung der ISS ging es nach diesem musikalischen „Aufweck-Ruf“ an den fliegenden Frühstückstisch und danach an die Arbeit in der Schwerelosigkeit. Ich stelle mir vor, wie der eine Astronaut noch einen Blick zum Fenster hinauswirft, bevor es an die Arbeit mit den Messinstrumenten geht. So wie ich es manchmal mache, bevor ich zur Arbeit oder zum Einkaufen aufbreche. Ein kurzer Blick am Morgen aus dem Fenster. Der Astronaut hat einen besonderen Ausblick an diesem Sonntagmorgen. Er sieht auf den Planeten Erde. Ein Ball in Blau, mit weißen Lichtwirbeln. Die Erdkugel liegt noch halb im Schatten und geht gerade auf. „Good Day Earth“ „Guten Tag, Erde!“ murmelt der Raumfahrer. Und im Bauch flackert das Gefühl der Sehnsucht auf. Er vermisst die Menschen, die er dort unten weiß. Und beim Weitergehen schaut er aus dem gegenüberliegenden Fenster. Dort ist mit all ihrer Macht und Präsenz die Sonne zu sehen. „Good day sunshine“, raunt der Mann im All.

Antiken, altorientalischen und mittelalterlichen Himmelsguckern war immer schon klar, hinter der Sonne muss mehr als nur ein physikalisches Prinzip stecken. Die Sonne ist die Königin aller Gestirne. Daher wurde mit der Sonne auch immer Macht und das Urprinzip, ja Göttliches verbunden. Wir haben heute deswegen Sonntag oder eben „Dies solis“ wie es die alten Römer mit ihrem göttlichen Pantheon sagen würden. In der jüdisch-christlichen Tradition sind es die Worte der Psalmbeter, die im Ohr klingen, wenn der Astronaut auf die Sonne schaut: Gott, der Herr, ist Sonne, die uns Licht und Leben gibt.


Musik 2: Gott der Herr ist Sonn und Schild, BWV 79: Gott der Herr ist Sonn und Schild

Komponist: Johann Sebastian Bach; Interpreten: English Baroque Soloists and Monteverdi Choir; Album: Bach, J.S.: Cantatas, Vol. 10 - Bwv 5, 48, 56, 79, 80, 90, 192; Label: SDG; LC: unbekannt


Sprecher (overvoice): „Gott der Herr ist Sonn und Schild. Der Herr gibt Gnade und Ehre, er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen.“ (Psalm 84:12)


Autorin: Wahrscheinlich hat Johann Sebastian Bach im Jahr 1725 weder an fliegende Marmeladebrötchen noch an schwebende Autos gedacht, als er diese Kantate schrieb. Aber aus dem Fenster geschaut und die Sonne begrüßt, hat er bestimmt.

Als er in Leipzig diese Kantate komponiert, da hat dieses Aufgreifen der alten biblischen Worte nicht nur eine astrologische, sondern eine theologisch-politische Dimension. Im Jahr 1725, da ist der französische Sonnenkönig Ludwig der XIV. bereits 10 Jahre tot. In Sachsen hat sich allerdings August der Starke ihn zum Vorbild genommen. Er pflegt zu dieser Zeit ebenfalls absolutistische Ambitionen.

„Gott der Herr ist Sonn und Schild.“ Gott als Sonne zu besingen, das hat sowohl zu Zeiten des Tempeldichters als auch im 18 Jhd. ganz deutlich gemacht, wem die Untertänigkeit gebührt. Darin hat sich seit dem alten Orient bis heute nichts geändert. Gott als Sonne gehört in die Sphäre oberhalb aller Welten- und Himmelsherrscher. Gott gebührt die größte Ehre.

Bach politisch? Es schwingen natürlich auch andere Dimensionen mit, wenn ich Gott als Sonne bezeichne. Eine ganz persönliche zum Beispiel. Ich finde sie in dem Lied der amerikanischen Sängerin Pink, „Cover me in sunshine“ – „Umhülle mich in Sonnenschein“.


Musik 3: Cover me in sunshine

Komponist: Maureen "Mozella" McDonald; Interpreten: P!nk + Willow Sage Hart; Album: Cover Me In Sunshine; Label: RCA Records, a division of Sony Music Entertainment; LC: 00316


Autorin: Die Sängerin Pink hat dieses Lied während der Zeit der Kontaktbeschränkungen in der Corona Pandemie geschrieben. Dazu gibt es ein Musikvideo. In diesem Video ist sie mit ihrer neunjährigen Tochter Willow Sage Hart zu sehen. Sie singen gemeinsam. Das Video funktioniert wie ein Super8 Film. Mit etwas Patina und Wackelmomenten.

Wenn ich dieses Lied höre und mitsumme spüre ich Sehnsucht und Geborgenheit. «Hüll mich ein in Sonnenschein. Überhäuf mich mit den guten Zeiten. Sag mir, dass sich die Welt von Anfang an gedreht hat. Und dass alles gut werden wird.»
Diese Zeilen, von Mutter und Tochter gesungen, sind eine Liebeserklärung. Ich höre eine Sehnsucht nach Zugewandtheit. Für mich kann es auch etwas über den Glauben aussagen. Als Liebeserklärung und Wunsch an einen mütterlichen Gott. Ich summe diese Zeilen wie ein Gebet: «Gott, hüll mich ein in Sonnenschein. Überhäuf mich mit guten Zeiten. Sag mir Gott, dass du die Welt von Anfang an gedreht hast. Und dass alles gut werden wird. Hüll mich ein in Sonnenschein»

Die Sonne hat so eine Kraft. Aber sie ist auch noch etwas anderes. Sie ist nicht nur mächtig. Sie ist auch zerstörerisch. Ihre Hitze kann verdorren lassen und vernichten. Sie hat auch etwas Unbarmherziges und Unnahbares. Die Raumfahrtsonde Solar Orbitor der ESA schaffte es immerhin bis auf 77 Millionen Kilometer Nähe. Richtig nahe kommt man der Sonne aber nicht. Alles verglüht in ihrer Nähe.

Und da ist Gott wie die Sonne: Er ist unerreichbar, sie ist unnahbar.

Gott als Sonnenschein und Sonne zu beschreiben ist also nicht nur ein Wohlfühlprogramm, das nach Sommer riecht und unser Leben in ein zartes Orange taucht. Gott als Sonne zu beschreiben, das ist auch Demut. Es beschreibt eine Distanz. Der ev. Theologe Rudolf Otto hat Gott als „Numen fascinosum et tremendum“ beschrieben. Gott/Er/Sie/Es ist immer faszinierend und bedrohlich zugleich. Und Gott bleibt immer auch radikal anders - auf der anderen Seite. Du kannst dich ihm/ihr gar nicht nahe genug nähern, um Gott in seiner Ganzheit und Komplexität zu verstehen. Die Raumsonde kann auch nur aus Millionen von Kilometern Entfernung bestimmte Wirbel und Feuer auf der Oberfläche der Sonne fotografieren. Für uns Menschen bedeutet das: Gott ist auch immer unfassbar. Das merken wir ja auch manchmal schmerzhaft. Martin Luther hat diese Sonnenbeziehung mit Gott in seinem Katechismus so zusammengefasst: Das erste Gebot zu leben heißt, dass wir Gott immer gleichzeitig lieben und fürchten und vertrauen mögen.

Bei Luther denke ich da an sein Gewittererlebnis in der Nähe von Stotternheim. In Hagel und Donner, da hat er radikale Bedrohung erlebt. Er hat Gott dahinter gesehen. Den Gott, der auch Angst macht, weil er zerstört und Leben nimmt. In einem anderen Moment in Luthers Leben war es anders. Da hat Gottes Sonnenschein ihn schön und mutig gemacht hat. Er hat standhalten können vor Reichstag und Kaiser. Und wieder ein anderer Moment. Da stelle ich mir Luther in seiner Studierstube vor. Der Heilige Geist ergreift ihn und er erlebt Gottes Sonnenschein, der ihm diese eine, für ihn so wichtige Stelle im Römerbrief aufscheinen lässt:


Sprecher: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ (Röm 3,28)


Autorin: Luther hat diese biblische Zusage „Gott ist wie die Sonne“ aber auch wie ein Brennglas in manch dunkle kirchliche Traditionen und theologischen Gedanken hineingehalten und sie ausgeleuchtet. Da war Gottes Sonnenschein am Werk, als dieser Kirchenmensch aus Wittenberg die Lehre von einem liebenden, zugewandten und verzeihenden Gott zu verkündigen begann. Gleichzeitig war nicht alles hell in Luthers Leben. Auch Luther hat zu manchem Dunkel beigetragen, etwa in seinen Schmähschriften gegen jüdische Gläubige.

Luther selbst hat das Leben aus Gottes Sonnenschein mit einem Vergleich aus der Tierwelt beschrieben: „Die rechte Sonne ist allein Gottes Wort, das uns den ewigen Tag gibt, zu leben und fröhlich zu sein. Wohl dem, der solches Licht gerne sieht. Maulwürfe und Fledermäuse haben´s nicht gern.“


Musik 4: Mein Tag, mein Licht

Komposition/Interpret: Jazzkantine; Album: Futter für die Seele; Label: RCA Records, a division of Sony Music Entertainment; LC: 00316


Autorin: Maulwurf oder Fledermaus? Was heißt das für Christenmenschen, wenn sie weder Erdreichwühler noch Abendsegler sind. Sind sie tagaktive Lebewesen? Auf jeden Fall gehören sie zu den Umtriebigen. Das klärt Jesus in seiner Bergpredigt. Dort spricht er auf einem Hügel am See Genezareth darüber, was es ausmacht, ein Sonnenschein und ein Sonntagsmensch zu sein. Er erzählt von einer Art Kettenreaktion. Wenn die Wärme und das Leuchten von Gottes Sonne im Menschen ein Feuer entzündet haben, dann drängt das darauf weiter getragen zu werden und selber zu leuchten. In der Sprache der Bibel heißt das:


Sprecher: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“


Diese biblischen Worte höre ich mit zwei Ohren. Einerseits mit einem Ermutigungsohr: Lass dein Licht leuchten! Trag dieses Licht in die Welt oder „Tue Gutes und rede drüber“, wie es Fundraiser sagen würden. Ich höre Jesu Worte so: „Ihr tollen engagierten Menschen, stellt euer Licht nicht untern Hocker. Das, was ihr an Zeit und Nerven, an Freude und Begeisterung bei eurem Ehrenamt und beim Einsatz für Andere einbringt, das erzählt weiter! Begeistert andere damit! Steckt sie an! Eure Stadt, das Dorf, eure Mitmenschen brauchen euch!“

Mit meinem anderen Ohr höre ich noch andere Töne. Da höre ich hinter diesem Satz von Jesu den Satz „Wes das Herz voll ist, dem fließt der Mund über“. Wie bei Verliebten stelle ich es mir vor. Angefüllt von Sonnenschein mit Gott, will ich davon erzählen und es weitertragen. So wie ich der Freundin vom Liebsten vorschwärme oder stolz die Babybilder zeigen möchte.

Ein bisschen ist das wie bei dem sogenannten Hermannkuchen. Erinnern Sie sich? Der war in den 1970ern und -80ern der Renner. Ein Kuchenteig aus Sauerteigansatz. Man erhielt ihn vorzugsweise in einem Joghurtglas zusammen mit einem Kettenbrief. Beim Öffnen des Deckels roch es etwas streng. Den Hermann musste man mit Mehl und Milch füttern und ihn dann neun Tage pflegen. Er war das Tamagotchi der 80er. Er wuchs und wuchs und am Ende halbierte man den Hermann. Aus der einen Hälfte wurde ein Kuchen gebacken. Die andere Hälfte verschenkte man weiter. Und genauso wie sich der Hermann ausgebreitet hat - und übrigens inzwischen auch wieder tut - so ist es mit Gottes Sonnenschein. Beide brauchen unsere Hände, um angenommen und weitergereicht zu werden.


Und ja, beides ist auch anstrengend für die Umwelt. Der Hermann-Kuchen Teig, den man zum dritten Mal bekommt und diese gottverliebten, anpackenden Menschen. Die, die sich nicht mit Mäkelkissen und Motzdecke auf dem Sofa einrichten und resignieren.

Die Sängerin Pink hat sich nicht eingerichtet. Sie hat im Lockdown etwas mit ihrer Tochter für andere gesungen. Was mich bei diesem Duett so besonders berührt, ist, dass zwei Menschen miteinander das tun: Sie geben gegenseitig weiter: Wärme und Geborgenheit. Sie spielen Sonnenschein Ping-Pong. Die Tochter bittet die Mutter ihr vom Morgen zu erzählen. Sie will davon hören, dass alles gut wird. Und vielleicht müssen wir das als Ältere auch tun. Den Kindern und Jugendlichen, die in den letzten Jahren ganz schön an Grundvertrauen zurückstecken mussten, von Vertrauen und Hoffnung zu erzählen. Aber es geht nicht nur so rum. Auch die Mutter bittet die Jüngere, ihr von der Hoffnung und dem Morgen zu erzählen. Wir Älteren brauchen das auch. Diese trotzige Hoffnung auf das Morgen, das Eintreten und die Wut der Jüngeren, die für diese Welt kämpfen. Auf Straßen und vor Gebäuden.

Das Licht und das für etwas Brennen, dieses Licht in der Nacht, das ist für mich das Licht, was auf den Leuchter und nicht unter den Scheffel gehört.


Musik 3: Cover me in sunshine


Autorin: Ob Hermann schon mal im All war? Die Astronauten nehmen ja allerhand mit, wenn sie ins All fliegen. Um festzustellen, wie die sich in der Schwerelosigkeit verhalten. Könnten die Astronauten im Weltraum Kuchen backen? Oder trennen sich die Zutaten und fliegen durch die Kapsel?

Was die Astronauten aber auf jeden Fall mitnehmen von ihrem Raumflug, ist der Blick am Morgen aus dem Fenster. Hinaus aus dem Fenster zu uns Menschen. Der Blick auf die Erdkugel, die aus dem Schatten tritt und auf der ein neuer Tag beginnt. Es ist der Blick auf die Welt, die sich jeden Morgen wieder dreht und von der Sonne und von Gott angestrahlt wird. Das uns dieser Blick geschenkt wird, das gebe Gott.


Einen gesegneten Sonntag mit Schwerkraft und Leichtigkeit, wünscht Pfarrerin Frauke Wagner aus Herford.


Musik 1: Good day sunshine



Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

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