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Kirche in WDR 5 | 17.05.2023 | 06:55 Uhr

Aufrecht hoffen

Guten Morgen.

Ein bisschen sieht es aus, als würde sie mit Seifenblasen jonglieren. Die Frau mit dem langen Gewand und dem Tuch über den Schultern. Ihre Finger hat sie weit gespreizt, die Augen sind konzentriert nach oben gerichtet und ihre Arme hat sie erhoben. Die vermeintlichen Seifenblasen vor ihrer Brust und an ihrer Stirn sind tatsächlich wohl eher Feuchtigkeitsflecken auf der Wand. Der Grabwand, in der Priscilla-Katakombe, einer frühchristlichen Grabanlage in Rom.

Die Frau, die dort tief unter der Erde auf die Rückwand einer Grabkammer gemalt worden ist, ist eines der häufigsten Motive in den alten Grabanlagen. ‚Orantin‘, Beterin nennt man diese Figur. Vermutlich soll das Bild die Verstorbene selbst darstellen.

Beten im Stehen, mit erhobenen Augen – das passt so gar nicht zu dem wie man sich heute meist das christliche Gebet vorstellt. Mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen.

Aber: Wer sagt eigentlich, dass beten etwas mit Erdenschwere, mit Sich-Klein-Machen und gewölbtem Rücken zu tun haben muss?

Das Stehen ist tatsächlich eine der ältesten Gebetshaltungen. Es ist zur Zeit der ersten christlichen Gemeinden eine der häufigsten – und ist es noch heute noch in vielen Ländern und Kulturen.

Also Gebet einmal anders als ich es kennen gelernt habe: Nicht als in sich Gekehrt-Sein, Gebet mit gefalteten Händen, mit gesenktem Kopf. Sondern als Dastehen und Einstehen für andere, für etwas, für sich.

Mit Würde und Selbstbewusstsein. Mit leeren Händen, gewiss, aber eben auch mit Händen, die weit sind und offen, für Neues, für Kostbares, Zartes und Schillerndes.

Wenn ich stehe, habe ich beide Füße fest auf der Erde und kann genau deshalb den Blick heben. Wenn ich stehe, bin ich aufmerksam, kann jederzeit losgehen. Ich bete aufrecht und werde beim Beten zugleich aufgerichtet.


Zurück zu den frühchristlichen Gräbern in Rom, in der Priscilla-Katakombe: Natürlich reibt sich der freie Stand der gemalten Betenden auf der Grabwand gehörig mit dem Ort, wo sie ja eben liegt und nicht steht; wie ja überhaupt ein Grab ganz buchstäblich der Ort der gründlichsten menschlichen Niederlage ist. Und der aufrechte Gang, der ist auch zu Lebzeiten schon schwer genug, denke ich.

Aber der freie Stand der Betenden auf der Grabwand ist ja auch eine Erinnerung daran, wie sie gelebt und worauf sie vertraut hat. Ihr freier Stand ist ein kräftiger Widerspruch gegen den Tod und gegen alle und alles, was schon in diesem Leben Menschen klein macht, was ihnen den Rücken beugt und sie auf die Knie zwingt. Ihr freier Stand ist eine buchstäblich aufrichtige Hoffnung auf den Gott, der Menschen wieder auf die Beine bringt und zu ihnen sagt: „Steh auf […] du hast einen weiten Weg vor Dir“ (Die Bibel, 1. Buch der Könige 19,7)

Das will ich mir heute gesagt sein lassen und den Tag zum Gebet machen. Erdverbunden und himmelsoffen, mit festem Stand und mit leeren Händen, mit weiten Armen und offenen Augen.


Einen aufrechten Tag wünscht Ihnen

Ihr Jan-Dirk Döhling

aus Bielefeld.



Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze


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