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Kirche in WDR 5 | 01.07.2023 | 06:55 Uhr
Perfekt?
Guten Morgen.
Meine Frau und ich sind bei einer Hochzeit.
Das Brautpaar strahlt, die Musik passt, die Trauung in der Kirche ist richtig schön, die Predigt der Pfarrkollegin ist persönlich, fröhlich, Mut machend, das Wetter spielt mit – es ist alles gut – da sagt die Braut zu ihrem frisch Angetrauten draußen an der Kirchentür: „Du Schatz, ich glaube, wir haben alles richtig gemacht.“
Ich denk ich hör nicht richtig. „Was…?! Ihr habt alles richtig gemacht?!“ – hätte ich die junge Frau am liebsten angeraunzt. Und: „Halt! Stop! Alle noch mal zurück in die Kirche, das müssen wir noch einmal machen. Ihr habt ja nichts kapiert…! Habt ihr der Pfarrerin nicht zugehört? Die hat euch doch eben gerade vor Augen gemalt, was für ein großer Zufall es war, dass ihr euch überhaupt kennengelernt habt, und dass eure Liebe nichts anderes als ein großes Geschenk ist; wie überhaupt alles Wichtige und Entscheidende im Leben uns gegeben wird, wir das alles gerade nicht selbst machen können…! Das ist die Grunderkenntnis unseres Glaubens.“
Ich habe in dem Moment natürlich nichts gesagt und wahrscheinlich nur mühsam gelächelt. In der Zwischenzeit ist dieser Satz bei meiner Frau und mir zu einem „running Gag“ geworden. Immer wenn wir etwas richtig Schönes erleben und vor Glück platzen könnten – dann schauen wir uns an und hauchen uns zu: „Du Schatz, ich glaube, wir haben alles richtig gemacht.“
Genauso blöde finde ich den dauernden Gebrauch des Wortes: „Perfekt!“ Da hat einer etwas völlig Banales hinbekommen, zum Beispiel ein Butterbrot für das Frühstück fertig geschmiert – da sagt die Person, für die das Brot gedacht ist, nur anerkennend: Perfekt! Oder wenn man eine Kollegin loben will, weil sie für jemand anderes eine Aufgabe erledigt hat – dann lautet das Dankeschön immer wieder nur: „Perfekt!“
Wenn ich das höre, denke ich nur beim Butterbrot zum Beispiel: Na, da hätte aber noch etwas mehr Butter drauf sein können – oder bei der erledigten Aufgabe schießt es mir - nur aus angeborener Böswilligkeit - durch den Kopf: „Das ist aber alles andere als perfekt – da ist noch Luft nach oben!“ Das sag ich natürlich nicht – ich will ja kein Spielverderber sein. Ich lächle nur etwas mühsam – mal wieder.
Ich empfinde bei diesen dummen Redensarten wie bei „Wir haben alles richtig gemacht“ oder bei dem anerkennend gemeinten „Perfekt!“ deswegen so einen inneren Krampf, weil für mich in diesen Sprüchen eine tiefsitzende Gottvergessenheit steckt. Wir Menschen machen niemals alles richtig. Das zu behaupten – und wenn es auch nur in einer so dahin gesagten Bemerkung ist – zeugt von einer bodenlosen Überheblichkeit. Die spricht auch aus der anerkennend gemeinten Beurteilung „Perfekt!“ Wirklich perfekt, also in keiner Weise mehr zu verbessern – das ist keine unserer Handlungen. Perfekt ist höchstens Gott – aber selbst das wissen wir Unperfekten nicht zu hundert Prozent.
Wenn bei uns Menschen auf jeden Fall noch Luft nach oben ist, was die Perfektion angeht, dann haben wir ja immerhin noch Platz zum Atemholen. Der Künstler Nam June Paik soll einmal gesagt haben: Wenn zu perfekt, lieber Gott böse! Damit ist alles gesagt.
Ein ganz unperfektes Wochenende wünscht Ihnen,
Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
