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Das Geistliche Wort | 23.07.2023 | 08:40 Uhr

Liborifest zwischen Pfauenwedel und Städtepartnerschaft

Guten Morgen!

Gestern begann die fünfte Jahreszeit – zumindest in Paderborn. Denn was den Kölnern ihr Karneval, das ist den Paderbornern ihr Liborifest. Insgesamt werden in den nächsten Tagen bis zu 1,5 Millionen Besucher erwartet, und damit ist Libori eines der größten Volksfeste in Deutschland. Dabei geht es nicht nur um Kirmes und Kultur, sondern auch um Kirche. Denn der Grund für das Fest ist der heilige Liborius, der Schutzpatron des Erzbistums Paderborn, der Stadt und des Domes. Und gestern wurde zur Eröffnung der Schrein mit den Reliquien feierlich erhoben. Dazu werden die sterblichen Überreste des heiligen Liborius in einen goldenen Schrein gelegt, der eigens dafür vor fast 400 Jahren angefertigt wurde. Anschließend wird dieser Schrein aus der Krypta des Domes eine Etage höher getragen, in den Hochchor. Oben angekommen, erschallt die feierliche Hymne eines Bläserensembles, um sozusagen Liborius zu begrüßen, der Liboritusch. Und der klingt so:


Musik I: Liboritusch


Diese Zeromie, die sogenannte Erhebung, der Liboritusch und das ganze Drumherum, das ist schon ziemlich spektakulär. Spektakulärer sind aber noch die Umstände, wie der Heilige Liborius überhaupt nach Paderborn kam. Da war er nämlich schon tot. Und seine Gebeine lagen in Le Mans, einer Stadt im Nordwesten Frankreichs – vielen vielleicht bekannt durch das 24-Stunden-Rennen. Die Überführung geschah im Jahr 836, also vor fast 1200 Jahren. Damals hatte Kaiser Ludwig der Fromme, ein Sohn Karls des Großen, das angeordnet, denn er verfolgte damit eine bestimmte Absicht: Er wollte das Christentum in Sachsen, also im östlichen Teil seines Reiches stärken und etablieren, wie schon sein Vater. Paderborn war damals quasi der Brückenkopf zu den Ostgebieten des karolingischen Reiches. Und zu dieser „christlichen Osterweiterung“ sollten die besondere Verehrung von Heiligen dienen und die Unterstützung durch die christlichen Gemeinden des Frankenreiches im Westen, die schon seit Jahrhunderten existierten. Denn die Heiligen, deren Reliquien man besaß, galten als Schutzpatrone für die Stadt, in der sie aufbewahrt und verehrt wurden. Kein Wunder, dass das Bistum Le Mans die Herausgabe als großes Opfer empfand und dass das junge Bistum Paderborn hoch erfreut war. Immerhin: Liborius, der wahrscheinlich am 9. Juni 397 gestorben war, galt als Bekenner des Glaubens und war einer der ersten Bischöfe von Le Mans. In seiner fast fünfzigjährigen Amtszeit hatte er sich dafür eingesetzt, sein Bistum zu christianisieren. Wenn das also kein Vorbild für die Paderborner war, den christlichen Glauben bei sich in Sachsen zu verbreiten?!

Von der Übertragung aus Le Mans in das über 850 Kilometer entfernte Paderborn wird übrigens eine bemerkenswerte Legende erzählt, die bis heute sichtbare Spuren hinterlassen hat: Wenn nämlich der Schrein mit den Reliquien des Liborius erhoben und durch die Paderborner Innenstadt getragen wird, dann wird vor ihm her ein kostbarer Wedel aus Pfauenfedern getragen.

Die Legende dazu geht so: Als die Paderborner Gesandtschaft mit den Reliquien des heiligen Liborius von Le Mans nach Paderborn aufbrach, soll ihr ein Pfau den Weg gewiesen haben. Immer dann, wenn die Gesandtschaft einen Halt einlegte, ruhte auch der Pfau und er erhob sich, wenn es weiterging. In Paderborn angekommen, flog der Pfau schließlich auf das Dach des Domes und wartete, bis die Gesandtschaft mit den Reliquien in den Dom eingetreten war. Daraufhin fiel er tot zur Erde, denn jetzt war sein Auftrag erfüllt. Und zur Erinnerung daran, so heißt es, habe man die wunderschönen Pfauenfedern verwahrt und sie später als Wedel dem Liborischrein vorweggetragen. Soweit die Legende.


Musik II: Maurice Ravel, Le Paon


Bemerkenswert an der Legende vom Pfau bei der Übertragung der Reliquien des heiligen Liborius von Le Mans nach Paderborn ist folgendes: Bereits in der Antike gab es solche Rituale mit einem Wedel von Pfauenfedern. Diese kamen nämlich zum Einsatz am kaiserlichen Hofe: Durch das Wedeln mit den Pfauenfedern sollte der Kaiser vor Insekten geschützt werden, vor allem dann, wenn er aß. Schon bald wurde der Wedel mit den prächtigen Pfauenfedern zu einem Statussymbol für den Kaiser. Aber nicht nur das. Von den Christen wurde so ein Pfauenwedel dann auch verwendet, und zwar bei den feierlichen Gottesdiensten in Rom. Zunächst wohl auch, um die Insekten von den Gaben im Gottesdienst fernzuhalten. Später begleitete der Pfauenwedel dann den Papst, wenn er bei Prozessionen in den Petersdom getragen wurde. Damit war der Pfauenwedel ein kirchliches Statussymbol geworden und kam wohl auch bald in anderen Bischofskirchen zum Einsatz. Historiker nehmen an, dass die Paderborner Gesandten in der Bischofskirche von Le Mans so einen Pfauenwedel im Einsatz gesehen haben, als sie die Liboriusreliquien holten. Und fasziniert von der Schönheit der Federn, nahmen sie diese Idee und vielleicht sogar ein paar Pfauen auch gleich mit, denn es heißt, dass der Pfau zur Zeit Karls des Großen in Sachsen noch ein ziemlich unbekannter Vogel war. Das war in den alten christlichen Gemeinden Frankreichs wie in Le Mans anders. Diese Gemeinden waren ja bereits zur Zeit der Römer in den ersten vier Jahrhunderten gegründet worden und kannten daher auch christlich römische Symbole, wie zum Beispiel den Pfau und seine Federn. Darstellungen vom Pfau gibt es nämlich schon sehr früh auf römischen Sarkophagen und in römischen Katakomben, und sie gelten als Symbole für die Auferstehung und das ewige Leben. Der Pfau, so beschreibt es der römische Gelehrte Plinius der Ältere im ersten Jahrhundert, verliert nämlich alle seine Federn im Herbst und bekommt im Frühjahr neue – also in der Zeit um Ostern. Darin sahen die Christen natürlich ein Bild für die Auferstehung. Und der heilige Augustinus, der große lateinische Kirchenvater, beschreibt Anfang des 5. Jahrhunderts ein Erlebnis, bei dem das Fleisch der Pfauen nicht verwest. Das wurde dann als ein Symbol für ewiges Leben gedeutet.

Wie dem auch sei: Für die Paderborner Gesandten mit den Reliquien des heiligen Liborius aus Le Mans war der Pfau als Symbol für die Auferstehung und das ewige Leben sicherlich auch ein weiteres gutes Motiv, um den christlichen Glauben in ihrer Heimat, also in Sachsen zu verbreiten und zu erklären.


Musik III: Gabriel Fauré (Op. 50), Pavane


Mit Pfauenwedel, Liboritusch und -schrein wird in diesen Tagen in Paderborn das Liborifest begangen. Dabei geht es aber noch um etwas anderes als „nur“ darum, den heiligen Liborius zu verehren als Patron für Dom, Erzbistum und Stadt. Mit der Übertragung der Reliquien schließen im Jahr 836 nämlich Le Mans und Paderborn eine besondere Freundschaft. Sie geloben eine „Confraternitas caritatis perpetua“, eine „immerwährende Liebesbruderschaft“.

Aber wie das so ist mit Versprechen – vor allem wenn es um „immerwährende Liebe“ geht: Durch die fast 12 Jahrhunderte hat es immer wieder Höhen und Tiefen gegeben zwischen Le Mans und Paderborn, manchmal auch Funkstille, dann wieder gegenseitige Besuche und Hilfe. Allerdings hat man sich trotz alledem immer wieder an das Gelöbnis der Liebesbruderschaft erinnert und zwar gerade dann, wenn es Probleme gab. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zum Beispiel, da sollte Paderborn an Hessen fallen und damit evangelisch werden. Um das zu verhindern, suchten die kirchlichen Vertreter Paderborns bei ihren Amtsbrüdern in Le Mans Unterstützung, um Einfluss zu nehmen auf den französischen König. Der wiederum bewirkte daraufhin beim westfälischen Frieden 1648, dass Paderborn katholisch blieb. Und diesen Erfolg, den schrieben fromme Seelen damals dem heiligen Liborius zu, so dass man ihn sogar als einen „Friedensstifter Europas“ bezeichnet.

Später, während der französischen Revolution, Ende des 18. Jahrhunderts, fanden französische Geflüchtete unter anderem aus Le Mans eine neue Heimat in Paderborn. Und wieder dankte man es dem heiligen Liborius, sprich der Liebesbruderschaft zwischen beiden Städten.

Dann allerdings wurde im deutsch-französischen Krieg 1870/71 sowie im Ersten und Zweiten Weltkrieg die „immerwährende Liebesbruderschaft“ auf eine besonders harte Probe gestellt: Wie füreinander einstehen, wenn sich die Nationen in weltumspannenden Allianzen bekriegen? Immerhin erinnern sich während beider Weltkriege die kirchlichen Vertreter beider Städte immer wieder daran, dass es jenseits aller nationalen Konflikte etwas Größeres gibt, was sie verbindet, nämlich den gemeinsamen Glauben und das Gebet. Und dabei berufen sie sich wieder und wieder auf den heiligen Liborius und die Liebesbruderschaft. So berichtet zum Beispiel ein deutscher Sanitätssoldat und Priester des Erzbistums Paderborn, der 1943 in Le Mans stationiert war, dass er trotz der Kriegssituation vom dortigen Erzbischof zur Mitfeier am Ostergottesdienst eingeladen wird. Grund ist die gegenseitige Freundschaft beider Bistümer und der Bezug auf den heiligen Liborius. Sein Priestergewand kann beim Gottesdienst allerdings die deutsche Uniform nicht ganz verdecken und dokumentiert, wie er selbst schreibt, „die Widersinnigkeit zwischen Weltgeschehen und christlicher Brüderlichkeit“.[1] Nach dem Zweiten Weltkrieg entsendet das Erzbistum Paderborn Priester, die freiwillig in die französische Gefangenschaft gehen, um sich um die dort gefangenen Soldaten seelsorglich zu kümmern. Aus einem Lager nahe Le Mans berichten sie ihrem Bischof in Paderborn von den desaströsen Zuständen, die dort herrschen. Der wiederum wendet sich an den Erzbischof von Le Mans, der schließlich für die Auflösung des Lagers eintritt, die bald darauf erfolgt.[2] Liborius sei Dank!


Musik IV: Heinrich Schütz (SWV 372), Verleih uns Frieden


Dank der Übertragung der Reliquien des heiligen Liborius dauert die damit begründete „immerwährende Liebesbruderschaft“ zwischen Le Mans und Paderborn nun schon fast 1200 Jahre. Wenn man so will, dann ist das eine, wenn nicht die älteste Städtepartnerschaft Europas oder sogar der Welt. Dabei kennt man offizielle Städtepartnerschaften heutzutage ja eher als eine weltliche Verbindung und nicht als Bruderschaft aufgrund religiöser Motive wie einem Liebesgelöbnis. Die Idee der weltlichen Städtepartnerschaften entstand vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg und ging hauptsächlich von den Bürgerinnen und Bürgern aus: Nach den beiden verheerenden Weltkriegen sollten vor allem in Europa die Menschen wieder zusammengebracht werden unter anderem durch Schüler- und Studentenaustausche und durch die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Kultur. Diese Idee der weltlichen Städtepartnerschaften steht für das Ziel, dass es nie wieder zu einem Weltkrieg kommt. So wird diese Idee der weltlichen Städtepartnerschaft etwas euphorisch sogar als die „größte Friedensbewegung der Welt“[3] bezeichnet.

Immerhin unterhält Deutschland inzwischen etwa 6500 Städtepartnerschaften weltweit und alleine mit Frankreich mehr als 2200. Dazu zählt dann auch die Städtepartnerschaft zwischen Paderborn und Le Mans, die als weltliche allerdings erst 1967 durch die jeweiligen Bürgermeister geschlossen wurde.

Was aber ist nun aktuell mit den vielen anderen Städtepartnerschaften, vor allem mit Städten in der Ukraine aber auch mit Russland? Es muss hier ja nicht gleich eine „immerwährende Liebesbruderschaft“ gepflegt werden. Aber Unterstützung für die Menschen in der Ukraine ist da besonders wichtig – das wird sicher niemand in Frage stellen. Immerhin haben die Städtepartnerschaften mit der Ukraine in den letzten anderthalb Jahren deutlich zugenommen.

Was aber ist mit den Partnerstädten in der Ostukraine oder in Russland? Die meisten dieser ca. 90 Städtepartnerschaften ruhen gegenwärtig. Was aber kommt nach dem Krieg? Und was kann eine Städtepartnerschaft unter kriegerischen Bedingungen bedeuten? Gehören nicht auch Kritik und Ermahnung zu einer Partnerschaft? Und im Bedarfsfall auch gegenseitige tätige Unterstützung?

Es gibt immer Höhen und Tiefen in den Städtepartnerschaften, wie schon die 1200jährige Beziehung zwischen Le Mans und Paderborn zeigt. Und da ist interessant zu lesen, was bereits in einem Brief aus Paderborn nach Le Mans aus dem Jahre 1204 steht, wenn es um die Fortführung einer Partnerschaft geht. Da heißt es: „Oft nämlich wird plötzlich das Band der Freundschaft zerrissen, oder es wird allmählich gelöst, solange wir das, was wir mit dem Munde versprochen haben, nicht in Werken verwirklichen; denn der Wille (allein) genügt nicht, wo die Gelegenheit (zur Tat) hinreichend zu Gebote steht …“[4]


Musik V: Sting Russians (Instrumental)


In diesem Jahr steht das Liborifest in Paderborn unter dem Motto: „Pax vobiscum!“ „Der Friede sei mit Euch!“ Damit wird der Gruß Jesu an seine Jünger zitiert, als er ihnen nach der Auferstehung erscheint, um ihnen Mut und Zuversicht zuzusprechen. Und genau die braucht es heute wieder mehr denn je: Zuversicht, dass Frieden möglich ist, und den Mut, ihn immer wieder neu zu versuchen. Die Freundschaft zwischen Le Mans und Paderborn durch die Jahrhunderte hindurch zeigt, dass es sich lohnt, mutig und zuversichtlich zu sein. Libori sei Dank!

Bleiben Sie zuversichtlich! Das wünscht Ihnen Pater Philipp Reichling aus Duisburg


Musik VI: Keith Jarrett Bremen Konzert 1973, Teil II, Schluss




[1] Vgl. Gereon Fritz, Paderborn – Le Mans, Geschichte einer Städtefreundschaft, Paderborn 1977, S.73.

[2] Vgl. ebd. S. 74ff.

[3] Woesler, Dietmar 2006: Städtepartnerschaften in neuem Licht, in: von Alemann, Ulrich/Münch, Claudia (Hrsg.): Europafähigkeit der Kommunen. Die lokale Ebene in der Europäischen Union, Wiesbaden, S. 412-433, hier S. 412.

[4] Zitiert nach Gereon Fritz, a.a.O., S.44.

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