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Kirche in WDR 5 | 18.07.2023 | 06:55 Uhr
Heute hier – morgen dort
Der Herr mit dem Bütterken an „Pastors Höffken“ – der war etwa im Alter meiner Eltern. Er schob einen alten Drahtesel vor sich her und auf dem Gepäckträger seine „sieben Sachen“ – wenn überhaupt.
Er hat mir kurz erzählt, wie alles kam. „Scheiß Alkohol“ hat er gesagt. Aber, davon sei er ab. Seit über 10 Jahren. „Hilft nix“ – fuhr er fort. Frau weg, Job weg, Kinder weg, Heimat weg…“ Dann hat er geschluckt. Und dann hat er Hannes Wader zitiert: „Heute hier, morgen dort…“. „Sind Sie textsicher?“ hat er mich gefragt. Ich war es nicht! Dann legte er los
„Heute hier, morgen dort
Bin kaum da, muss ich fort
Hab' mich niemals deswegen beklagt
Hab' es selbst so gewählt
Nie die Jahre gezählt
Nie nach Gestern und Morgen gefragt!
Manchmal träume ich schwer
Und dann denk' ich es wär'
Zeit zu bleiben und nun
Was ganz And'res zu tun
So vergeht Jahr um Jahr
Und es ist mir längst klar
Dass nichts bleibt
Dass nichts bleibt, wie es war!“
Das hatte gesessen! Ich habe ihn kurzerhand zum Nachtisch eingeladen. In der Eisdiele gegenüber. Ich nahm (wie immer) die Pistazie und er Schokolade. Und dann ist er abgezogen, mitsamt seinem Fahrrad. Als ich grade abbiegen wollte, hörte ich, wie er anfing zu pfeifen. Ganz ehrlich: so wunderbar, klar, virtuos habe ich selten einen Menschen pfeifen hören. Die Melodie von Waders „Heute hier, morgen dort“ blieb noch einen Moment schwebend über den sommerlichen Platz.
„…wenn ich auch sonst nix habe!“ – dieser Satz kam mir Abends wieder in den Sinn, als der Tag nochmal vorbeirauschte in meinem Kopf. Doch, das hatte er: Dieses unglaubliche Talent so wunderbar zu pfeifen. Ich hätte es ihm sagen sollen.
Ich bin jedenfalls überzeugt: Wer so pfeifen kann und wer es schafft das in all diesem Schlamassel so wunderbar zu tun, der hat vielleicht viel mehr von der Botschaft Jesu verstanden, als ich.
Vielleicht versuchen Sie es ja heute mal mit dem pfeifen. Es muss ja kein Kunstwerk werden. Mich erinnert das Pfeifen seitdem zumindest daran, wie gut ich es habe und es schärft den Blick auf jene, denen es nicht so geht. Vielleicht müssten wir diese Kunstpfeifer vor dem Herrn ab und an mehr in den Blick nehmen.
Kommen Sie gut in den Tag – Ihr Bastian Rütten aus Kevelaer.