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katholisch

Kirche in WDR 5 | 31.07.2023 | 06:55 Uhr

Macken im Mosaik

Im Nachbarort – in Altenhof – steht eine Kirche. Ziemlich groß. Ziemlich eindrucksvoll. Und wie das bei den Kirchen in den kleinen Orten in meiner Sauerländer Heimat so ist, wurde auch diese hier irgendwann von den Männern im Dorf gebaut. Meistens ehrenamtlich und mit Spenden finanziert. Nicht nur die Mauern – sondern auch der typische Kirchenschmuck. Also Kreuze, Leuchter, Heiligenstatuen. Das Besondere in Altenhof ist: An der Altarwand befindet sich nicht – wie sonst üblich – eine Kreuzigungsgruppe. Sondern ein Marien-Mosaik. Also eine Darstellung der Gottesmutter, die aus vielen kleinen, bunten Steinen besteht. Eine schöne Idee. Und ein beeindruckendes Kunstwerk. So beeindruckend, dass ich mir dieses Mosaik irgendwann einmal genauer ansehen wollte. Ich bin da deshalb ganz nah ran. So nah, dass ich die einzelnen kleinen Steinchen betrachten konnte. Und was soll ich sagen: Die hatten Kratzer und Risse. Bei einigen war die Farbe im Laufe der Jahre stumpf geworden oder ausgeblichen. Andere Steine waren zersprungen. Manchmal fehlte sogar ein Steinchen – da war dann nur noch der schäbige graue Unterputz zu sehen. Die Konturen waren bei dieser Art genauer Betrachtung auch gar nicht mehr so scharf, wie sie aus der Entfernung aussahen. Im Gegenteil. Da ragten Ecken und Kanten heraus, wo eigentlich eine gerade Linie sein sollte. Kurzum: So aus der Nähe betrachtet sah das alles eher aus wie eine arrangierte Ansammlung von Schrott. Da zeigte dieses Mosaik mehr Schaden als Schönes.

Und wissen Sie: Wenn ich mir meine Kirche anschaue, wie die momentan so aufgestellt ist, dann geht es mir da manchmal ähnlich. Da sehe ich auch ganz viele Kratzer, Risse und Brüche. Ganz viele Mosaiksteine, die so gar nicht mehr schön sind. Und etwas selbstkritisch darf ich wohl sagen, dass ich und meine Kirche wohl auch eine ausgeprägte Begabung haben, schöne Steinchen kaputt zu machen. Oder uns nicht ausreichend um kaputte, gebrochene, stumpf gewordene Steinchen zu kümmern. Ich kann deshalb verstehen, wenn sich Menschen von diesem Bild abwenden. Wenn sie sagen: „Da ist mehr Schaden als Schönes – da bin ich weg!“ Ich kann das nachvollziehen.

Aber das Mosaik in der Altenhofer Kirche sagt mir eben auch, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Dass einzelne Steinchen kaputt und schlecht sein mögen – aber das Gesamtbild eben doch ein schönes und gutes ist. Will sagen: Ich bin ziemlich sicher, dass Gott sieht, dass nur die wenigsten Menschen klare, hell leuchtende, schöne Mosaiksteinchen sind. Ich habe eben Macken, mache Fehler, tue Unrecht, bin zuweilen hart und ungerecht. Manchmal unbewusst und unbeabsichtigt. Manchmal leider auch absichtlich. Und trotzdem hat mich der liebe Gott in sein Mosaik gesetzt. Trotzdem bin ich damit Teil eines großen Kunstwerkes. Das ist keine Rechtfertigung dafür, Kratzer nicht zu polieren und schadhafte Stellen zu reparieren. Mich nicht um die zu kümmern. Um die eigenen nicht und auch nicht um die der anderen. Aber es gibt mir die Gelassenheit und Nachsicht, nicht von Macken im Kleinen aufs große Ganze zu schließen. Nur, weil da bei mir ein Bruch ist, ist nicht das ganze Bild hinüber.

Das Mosaik in Altenhof sagt mir deshalb immer wieder, dass niemand – auch ich nicht –
perfekt sein muss, um Teil von Gottes gutem Plan zu sein. Und das beruhigt mich nicht nur. Das lässt mich auch etwas versöhnlicher auf die schadhaften Stellen der anderen Mosaiksteinchen blicken.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start in den Tag und in die Woche, Ihr Diakon Claudius Rosenthal aus Altenwenden.