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Kirche in WDR 5 | 08.09.2023 | 06:55 Uhr
Was uns verbindet
Guten Morgen,
was unterscheidet Sie eigentlich von Ihrem Gegenüber?
Mit dieser Frage überrasche ich meine Gemeinde, die in kleinen Gruppen vor mir sitzt.
Was unterscheidet Sie von Ihrem Gegenüber?
Da fällt mir sofort eine Menge ein, sagt eine Frau, und blickt den Ehepartner neben sich kritisch an.
Ich weiß nicht, an wen Sie, die Sie mir zuhören, jetzt bei dieser Frage denken oder wen Sie gerade vor oder neben sich haben:
Was unterscheidet Sie von Ihrem Gegenüber?
Ist es das Alter, die Größe oder der Typ?
Das Outfit vielleicht: eher gepflegt oder eher fern der Heimat…
Wenn Sie Ihr Gegenüber kennen, können Sie weitere Eigenschaften oder Vorlieben durchgehen.
Ein Mann sagte mir letztens: „Es gibt nichts, was mich mit meinem Nachbarn verbindet.“ Das war dann doch krass. Aber es spiegelt eine Tendenz wieder, die ich immer häufiger erlebe.
Da leben Menschen zum Teil in scheinbar völlig anderen Welten, die nichts miteinander gemein haben, bloß weil einer anders tickt, anders lebt oder wählt und vielleicht auch anders glaubt. Entweder er oder ich, Dortmund oder Schalke, Schlager oder Rock ‘n Roll, Döner, Schnitzel oder Veggieburger.
Und dann fallen Sätze wie: „Wer Kalbfleisch isst, isst auch kleine Kinder.“
Oder: „Wer sich auf Kreuzungen festklebt ist ein Terrorist.“
Da wird nicht mehr differenziert oder nach Motiven gefragt.
Manchmal scheint überhaupt keine Verständigung mehr möglich,
und in solchen Parallelwelten haben Argumente jeden Wert verloren.
Selbst Tatsachen werden
nicht mehr als gültige Währung akzeptiert.
So weit so schlecht…
Aber haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was Sie mit Ihrem Gegenüber verbindet? Das habe ich meine Gemeinde gefragt.
Und vielleicht mögen Sie dieser Frage auch einmal nachgehen:
Was verbindet Sie mit Ihrem Gegenüber?
Gibt es wirklich Menschen, mit denen mich gar nichts verbindet?
Teile ich mit meinem Gegenüber nicht mindestens mein menschliches Angesicht, mit einer Nase, zwei Augen und zwei Ohren?
Wir haben in der Regel auch
die gleiche Zahl an Knochen und sogar die gleichen Gene, egal ob wir aus
Europa, Asien oder Afrika stammen.
Es gibt viel mehr Verbindendes als wir vielleicht wahrhaben wollen.
Selbst der Unterschied im Gehirnvolumen fällt vermutlich deutlich kleiner aus als wir es gerne hätten.
Wir brauchen Wasser zum Leben und Sauerstoff.
Und sind angewiesen auf Liebe, Nähe und Vertrauen.
Vielleicht müssen wir uns manchmal von anderen Menschen abgrenzen, wenn sie für uns zu übergriffig sind.
Aber wirklich niemand braucht Ausgrenzung, und niemand sollte Ausgrenzung erleben, als stünden „Wir“ gegen „die Anderen“, wer auch immer „diese Anderen“ sind.
Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes. Und jeder Mensch ist mein Mitmensch, mit dem ich diese Welt teile.
Wir leben alle in einer Welt. Lassen wir uns nicht spalten. Nicht nur in der Kernphysik setzt Spaltung zerstörerische Kräfte frei.
Ich finde es spannend, gerade in dem ganz Anderen, das Verbindende zu suchen. Da gibt es viel zu entdecken.
Und wir gewinnen alle, wenn das Gemeinsame größer wird.
Ihr Heinz-Bernd Meurer aus Velbert
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze