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Kirche in WDR 5 | 13.09.2023 | 06:55 Uhr

Daniel in der Löwengrube

Ich glaube ja nicht an Reinkarnation. Aber wenn es jemand gab, bei dem ich unterschreiben würde: Das war der wiedergeborene „Daniel in der Löwengrube“ aus der Bibel, dann war das Pater Daniel Rufeisen. Immerhin, beide heißen nicht nur Daniel, sondern sind auch dem sicheren Tod entkommen. Ich habe Pater Daniel nicht mehr kennen gelernt in meinem Zivildienst, vor 24 Jahren in Israel. Er starb ein Jahr zuvor. Aber viele hatten mir von ihm erzählt. Aber: In diesem Sommer habe mich Pater Daniel dann doch genähert, ausgerechnet durch einen Roman. „Daniel Stein“ heißt er. Die Autorin Ljudmila Ulitzkaja hat jahrelang recherchiert und hält sich meist sehr akkurat an Pater Daniels Biografie[1].

Was macht sein Leben würdig, um zum Roman zu werden?

Geboren wird er als Oswald Rufeisen, 1922 in Polen[2]. Er ist Jude. Als die Nazis Polen überfallen, schicken die Eltern ihn und seinen jüngeren Bruder fort. Oswald flieht nach Weißrussland. Dabei verliert er alles, bis auf seinen Schülerausweis. Auf dem steht nicht seine Religion. Und so kann er sich verstecken und wird ausgerechnet Übersetzer für die Gestapo in dem Örtchen Mir. Alle halten ihn für einen Polen, der ziemlich gut Deutsch sprechen kann…wenn das mal keine Löwengrube ist…Wann immer er erfährt, dass ein Pogrom ansteht, warnt er heimlich die jüdische Bevölkerung. Als er von der geplanten Ermordung der Juden von Mir erfährt, riskiert er sein Leben. Denn nur er und der Kommandant wissen davon. Die Hälfte der Juden überlebt, dank seines Verrats. Aber: Oswald muss fliehen. Ausgerechnet die katholischen Karmeliterinnen in Mir geben ihm Unterschlupf. In dem Kloster versteckt er sich und in dieser Zeit liest er zum ersten Mal überhaupt das Neue Testament.

Und dann geschieht es: Inmitten der Pogrome, ereilt ihn der Ruf.

Sprecher:

„Da kam ihm der Gedanke, dass Gott nur mit denen sein kann, die man erschossen hatte, den Leidenden. Und in diesem Moment schien ihm die Idee des leidenden Gottes die einzig mögliche, um sich irgendwie mit ihm zu versöhnen. Und der leidende Gott ist Jesus, und so kam es zu seiner Bekehrung zu Jesus.“[3]

Rufeisen wird Christ. Mehr noch: Er will Mönch werden. Im Karmeliterkloster von Krakau findet er Aufnahme – aber nur knapp. Denn der Abt muss sich entscheiden zwischen dem konvertierten Juden und einem jungen Schauspieler. Er kann nur einen Aufnehmen. Die Zeiten sind prekär. Den Schauspieler weist er ab mit dem Satz: „Du wirst noch Deinen Platz in der Kirche finden.“ Recht sollte der Abt haben. Der Name des Schauspielers: Karol Wojtyla, der spätere Papst. Oswald Rufeisen aber wird Karmelit und heißt ab jetzt Pater Daniel. Mit Johannes Paul II. verbindet Pater Daniel eine lebenslange Freundschaft. Viele sagen sogar: Dass Johannes Paul II. 1986 als erster Papst überhaupt eine Synagoge betreten hatte, das lag an einem entscheidenden Gespräch zwischen den beiden.

Daniel Rufeisen muss ein enorm mutiger Mann gewesen sein. Nicht nur in der Nazi-Zeit. Als der Staat Israel gegründet wird, da fühlt er sich berufen, nach Haifa auszuwandern, ins Gründungskloster seines Ordens auf den Karmel.

Und weil Pater Daniel findet, dass er genauso Israeli ist, obwohl er ja jetzt Christ ist, klagt er sich hoch bis zum Obersten Gerichtshof. Der „Rufeisen-Prozess“ ist noch heute in der Rechtsgeschichte Israels bekannt. 1962 erlangt Pater Daniel die israelische Staatsangehörigkeit, obwohl er nicht mehr Jude ist.

Sein Leben in Israel ist eines zwischen allen Stühlen: Gefeiert als Held des Widerstands. Zugleich gilt er den Israelis als Verräter. Bei den arabischen Christen – und sogar in seinem Orden gilt er vielen als „nicht ganz koscher“. Denn: Er gründet eine Gemeinde für Christen, die Hebräisch sprechen.

Ich glaube, so ist das mit den Männern Gottes und mit den Frauen sowieso. Sie sind tatsächlich oft mehr zwischen den Stühlen, als auf der sicheren Seite. Pater Daniel hat nie die Seite der Sicherheit gewählt, sondern die der Anderen. Die Männer und Frauen Gottes erkennt man oft daran, dass sie zwischen Stühlen leben – mitunter in Löwengruben – und dass sie Partei für die Anderen ergreifen. Das ist Menschwerdung. Das ist Inkarnation, wie es wir Christen nennen. Ein Leben, das Zeugnis gibt von dem ganz Anderen, von Gott.

Aus Köln grüßt Sie, Klaus Nelißen


[1] https://www.deutschlandfunk.de/die-ueberlebens-und-glaubenskaempfe-des-daniel-stein-100.html

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Rufeisen

[3] https://www.deutschlandfunk.de/die-ueberlebens-und-glaubenskaempfe-des-daniel-stein-100.html

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