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Das Geistliche Wort | 01.01.2024 | 08:40 Uhr

DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.

Alles Liebe - oder was?!

Musik 1: nerds & sweeties

Komposition: Jakob Helling; Interpreten: Jakob Helling Concert Big Band & Fay Claassen; Album: nerds & sweeties; Label: Quinton Records; LC 11685


Autor: Können Sie mir sagen, wie ich diesen Sack Flöhe hüten soll? Dieser Sack voller Flöhe ist in mir drin – es sind meine Gedanken und Empfindungen. Woran ich denke? An die vergangenen Tage, das Weihnachtsfest: die Kinder waren da, der Trubel – es war schön, aber die Ruhe heute tut auch gut. Für mich immer wieder überraschend, wie dieses alte Weihnachten einen frischen Glanz bekommt. Nicht durch die häufig zitierten glänzenden Kinderaugen – ehrlich gesagt: diese Augen kommen mir manchmal erschreckend abgestumpft vor. Nein, die Augen der Alten sind mir aufgefallen, die Augen, die schon so viel gesehen haben – die glänzen bei diesem Fest. Warum wohl, frage ich mich. Ist das Nostalgie, Hoffnung, gute oder schmerzliche Erinnerungen? Ich weiß es nicht.

Und dann denke ich an das letzte Jahr – was ist da alles passiert: viel Alltag, großes Glück, aber auch die eine oder andere Riesenenttäuschung. Dann war ich enttäuscht von mir selbst, dass ich vieles nicht besser hinbekomme, als ich es mir vorgenommen habe; enttäuscht von anderen Leuten: von Menschen, die ein Versprechen nicht gehalten haben; und immer wieder bin ich entsetzt über den Lauf der Welt: Dass der Klimawandel schon so viel weiter fortgeschritten ist, als ich gedacht habe. Und dann Kriege in der Ukraine, in Israel und Palästina und anderswo.

Auch das andere: das Glück, bei Freunden aufgehoben zu sein. Mehrfach haben wir richtig gut gefeiert. Wie gesagt: Ein Sack Flöhe hüpft da in meinem Kopf herum.

Warum das alles im letzten Jahr geschehen ist, wohin es noch führt, ich weiß es nicht. Wie soll ich diesen Sack Flöhe hüten…?!


Musik 1: nerds & sweeties



Autor: Es gibt für dieses neue Jahr ein biblisches Motto, die Jahreslosung – die will ich mir zueigen machen – kurz und knapp. Leicht zu merken. Sie hat das Potential, mir bei meinem Sack Flöhen zu helfen. Die Jahreslosung lautet: Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen. (1. Kor. 16, 14) Der Apostel Paulus schreibt diesen Satz am Ende seines langen Briefes an die Gemeinde in Korinth. Dieser Satz von Paulus sagt mir: auch die Gedanken und Gefühle, die jetzt in dir so hin und her rasen – schau sie dir liebevoll, in Ruhe an. Auch diese Gedanken und Empfindungen – auch sie wollen liebgehabt werden. Gedanken, Empfindungen liebhaben?! Das heißt nicht die Lieblingsgedanken immer wieder hervorholen, die Schleifen ständig wiederholen, in denen ich mich schon so gemütlich eingerichtet habe. Nein, im Gegenteil: all das Verwirrende und Widerstreitende in mir, meine Unruhe und Unausgeglichenheit, all das hat seine Berechtigung, gerade diese unordentlichen Gedanken und Gefühle, die haben mir etwas Entscheidendes mitzuteilen. Wenn ich sie liebhabe, wenn ich sie nicht aus lauter Ärger aus meinem Gefühlshaushalt verbanne, sondern bei mir haben und behalten will, dann höre ich auf einmal eine Stimme, die mir sagt: Du bist mit deinem Latein noch nicht am Ende. Da gibt es noch eine Menge Leben in dir…!


Musik 2: Another Step We Take

Komposition: Matthias Schwengler; Interpreten: Jakob Helling Concert Big Band & Fay Claassen; Album: nerds & sweeties; Label: Quinton Records; LC 11685


Autor: Nun gibt es diesen Flöhesack nicht nur in mir drin – dieses Hin und Her, diese Unruhe finde ich noch viel häufiger um mich herum. Die vielen Haltungen und Einschätzungen, diese sich widersprechenden Meinungen und Erfahrungen – aber vor allem diese aufreizend verschiedenen Charaktere, mit denen wir es zu tun haben. Zum Beispiel erzählt mir ein guter Bekannter von seinem unmittelbaren beruflichen Umfeld: auf der einen Seite ist die kluge und hoch gebildete Kollegin. Sie hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. Wenn jemand aus ihrem Umfeld mal danebengelegen hat – die werte Kollegin erinnert sich genau an die Umstände, wer was wann und wie gesagt hat. Und das wird dann bei passender oder auch für sein Empfinden manchmal eher unpassender Gelegenheit ausgepackt. „Kannst du nicht einmal die Sachen auf sich beruhen lassen...?!“ möchte er sie dann am liebsten fragen – aber nein, die Dinge müssen auf den Tisch. Stimmt ja auch … nur ist da noch der hoch sensible und ebenfalls mit einem elefantösen Gedächtnis ausgestattete andere Kollege. Auch er vergisst nichts, nur erinnert er sich jedesmal, wenn Themen oder Konflikte zu besprechen sind, auf erkennbar andere Weise an die Situationen, um die es geht. Für ihn sind ganz andere Faktoren entscheidend. Das Blöde an dieser Unterschiedlichkeit ist nun, dass die Betroffenen dies alles nicht als Bereicherung oder angemessene Vielfalt erleben, sondern als eine lähmende und immer wieder giftige Sache.

Oder in meiner eigenen Familie: da gibt es die lärmenden, lauten, ungehobelten Klötze, die immer zu spät kommen, meist etwas Wichtiges vergessen haben und mit ihrer Art die ganze Gesellschaft ganz schön aufmischen – und zugleich können sie eine Herzlichkeit an den Tag legen, die ihres gleichen sucht. Auf der anderen Seite sind die gut Strukturierten, Ordentlichen, die ihr Leben lang schon unter dem Chaos der anderen zu leiden hatten – und sich deswegen gerne zurückziehen und nur noch selten auftauchen. Ihre Überlegenheit ist nur zu deutlich – aber immer wieder sind sie auch hilfreich und notwendig, wenn wir bestimmte Entscheidungen voranbringen wollen.

Alle eure Dinge lasst in Liebe geschehen…?!?! Gar nicht so einfach. Unter Kollegen nicht und in der Familie auch nicht.


Musik 2: Another Step We Take


Autor: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen“ – was der Apostel Paulus in der Jahreslosung nahelegt, das hat wohl wenig mit romantischen Gefühlen zu tun. Liebe bekommt in den Konflikten unseres Alltags richtige Schweißperlen auf die Stirn. Liebe ist anstrengend. Liebe macht Mühe. Denn die Liebe kann nicht und möchte nicht ohne den anderen auskommen. Die Liebe kann vieles – aber eben nichts ohne die anderen, die mir gerade so zu schaffen machen.

Was ist das überhaupt – die Liebe? Ist das eine Kraft, eine Energie, ist das ein Gefühl, eine Stimmung? Liebe? Oft wird sie als Tugend oder auch als eine Haltung beschrieben. Gott ist die Liebe – so heißt es einmal im Neuen Testament. Was soll das bedeuten? Hilft mir das, wenn ich mit all den anderen klarkommen will?


Musik 2: Another Step We Take


Autor: „Gott ist die Liebe“ – das kommt nicht vom Apostel Paulus, sondern aus der Schule des Johannesevangeliums. Diese Leute haben diesen großartigen, fundamentalen Satz in ihrem 1. Johannesbrief aufgeschrieben. Ich bin mir nicht sicher, ob Paulus das auch so gesagt hätte. Aber er hat genau das im Blick, wenn er an seine Freunde in Korinth schreibt. Paulus hat dabei einen ganz anderen Tonfall. In seinem Brief bearbeitet der Apostel ganz handfeste Konflikte: da gibt es erst einmal verschiedene Parteiungen in der korinthischen Gemeinde; einige gehören zur Partei des Paulus, andere fühlen sich von einem seiner Mitarbeiter mehr angesprochen – das ist die Apollos Partei; wieder andere sagen, sie gehörten aber zur Christusgruppe. „Was für ein Quatsch!“ so höre ich es aus den Worten des Apostels. „Ihr gehört doch zusammen. Bin ich etwa für euch gekreuzigt worden – oder ist irgendjemand von euch auf meinen Namen getauft? Nein! Denn Christus hat sich für euch eingesetzt, er hat sich im wahrsten Sinn des Wortes hingegeben, als er am Kreuz für uns gestorben ist. Das ist seine göttliche Liebe, die uns zusammenbringen möchte. Parteiungen? Das geht gar nicht! Wir anderen, wir sind Mitarbeiter, wir erzählen von dieser Liebe Gottes - und wir alle leben von ihr. Darum kann es doch unter uns keine verschiedenen Parteien geben – versteht ihr?!“


Musik 2: Another Step We Take


Autor: Ob die Korinther das verstehen? Denn neben allen persönlichen Parteiungen gibt es vor allem noch ein erhebliches soziales Gefälle in der Gemeinde. Das macht sich in den Gemeindeversammlungen bemerkbar. Diese Versammlungen sind in der Regel mit einem Essen verbunden. Nur haben einige Leute schon alles aufgegessen, was für die gemeinsamen Mahlzeiten vorgesehen ist. Das sind die reicheren Gemeindemitglieder, die schon früh zu den Versammlungen kommen können, weil sie nicht so lange arbeiten müssen. Wenn die armen Schlucker später dazu kommen, weil sie noch länger arbeiten müssen, dann ist schon alles weg – und sie stehen beschämt und mit leeren Mägen da. Das kann nicht sein – meint der Apostel. Das hat nichts mit der Liebe zu tun, von der wir erzählen – das muss anders werden.

Wenn ich mir das so anschaue, mit welchen Fragen der Apostel es bei seiner Gemeinde in Korinth zu tun hat – dann fällt mir auch nur der Sack Flöhe ein, den Paulus da zu hüten hat. Und ausgerechnet in diesem Zusammenhang kommt Paulus auf die Liebe zu sprechen. Zunächst versucht er es mit einem Bild; er schreibt: Wir als Gemeinde sind ein Leib. Wir gehören wie die Glieder an einem Leib zusammen. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Das Ohr kann nicht sagen: Ich bin kein Auge, also gehöre ich nicht dazu. In einer Gemeinschaft sind alle aufeinander angewiesen. Und es ist doch so, dass die schwächeren Teile eines Leibes besonderen Schutz brauchen.


Musik 3: Cinema Paradiso

Komposition: Andrea Morricone & Ennio Morricone; Interpreten: Jakob Helling Concert Big Band & Fay Claassen; Album: nerds & sweeties; Label: Quinton Records; LC 11685


Autor (overvoice): Aber es geht nicht nur um den Schutz für die Schwächeren. Paulus weiß: Wo Menschen zusammenleben, braucht es ein wesentliches Fundament. Er schreibt:


Sprecher (overvoice): Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.

Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen,

sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1. Kor 13)


(Musik steht noch frei)


Autor: Das hohe Lied der Liebe. Das ist Weltliteratur, was der Apostel hier aufschreibt. Weil es die ganze Welt angeht und weil alles, was in der Welt geschieht, in diesem 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes vorkommt. Der ganze Hass und die Aufgeblasenheit der Menschen kommt vor. Ihre Hilflosigkeit und all die Halbherzigkeiten angesichts der großen Nöte – kommen vor. Aber auch die Klugheit und die Leidenschaft, sich dagegen zu stellen - all das kommt vor. Nur schaut der Apostel all das unter dem so entscheidenden Blickwinkel der Liebe an. Die Liebe weiß nur eins: ich kann und ich will nicht ohne die andere Person an meiner Seite sein. Ob diese Person mir gerade wohlgesonnen ist oder nicht – ich werde sie nicht aufgeben, nie.

Ich weiß, dass es sich für manche recht großspurig anhört, wenn Paulus sagt: die Liebe glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles – die Liebe hört niemals auf. Aber das hat einen Grund: Jesu Leben, Tod und Auferstehung. Wenn es wahr ist, dass sich in Jesus die Liebe Gottes auf dieser Welt gezeigt hat, dann lässt sich diese Liebe offensichtlich nicht aus der Welt schaffen. Auch wenn das immer und immer wieder versucht wird; Streit, Hass, Krieg und all der andere weltgeschichtliche Wahn drücken der Liebe so oft die Luft zum Leben ab. Nur sind alle Macht und alle Gewalt zum Scheitern verurteilt, weil Gott die Liebe zum Leben erweckt, wenn alle anderen sie schon für tot erklären. Mit allen seinen Mitteln malt der Apostel Paulus seiner Gemeinde in Korinth deshalb die Auferstehung Jesu vor Augen. Das Leben siegt, die Liebe Gottes ist stärker. Auch wenn ich nicht genau weiß, was ich konkret tun soll – aber die Richtung ist klar. Darum kann Paulus am Ende seines langen Briefes sagen: alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.

Jetzt könnten manche fragen: Warum sieht man von all dem so wenig? Mit den Gedanken von Paulus im Herzen möchte ich darauf so antworten: Weil die Liebe sich unsichtbar macht. Sie plustert sich nicht auf, sie stellt sich nicht in die erste Reihe. Sie bleibt – ganz einfach. Ob diese Welt deswegen noch und noch besteht – trotz all der Ungeheuerlichkeiten? Weil die Liebe die eigentliche Kraft ist, die diese Welt im Innersten zusammenhält – diese Welt, meine Welt, diesen Sack voller Flöhe. Die Liebe bleibt, sagt Paulus. Darum lasst all eure Dinge in der Liebe geschehen.


Ich wünsche Ihnen ein gutes und gesegnetes neues Jahr.

Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke


Musik 4: Sacred Love and Soul-Enlightening Blues

Komposition: Peter Thiehuis; Interpreten: Jakob Helling Concert Big Band & Fay Claassen; Album: nerds & sweeties; Label: Quinton Records; LC 11685



Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

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