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Kirche in WDR 5 | 23.10.2023 | 06:55 Uhr
Niels Stensen 1638 – 1686 - seliggesprochen heute vor 25 Jahren
Gut eine Woche vor dem Reformationstag
blicke ich mit Ihnen auf einen wahrhaft ökumenischen Seligen. Der ist in
Deutschlands Norden recht beliebt – in rheinisch-westfälischen Breiten aber
wenig bekannt – obwohl er auch in Münster wirkte. Die Rede ist von Niels
Stensen. Heute vor 25 Jahren hat Papst Johannes Paul II ihn selig gesprochen.
Im Januar 1638 in Kopenhagen geboren, wächst Stensen dort als Sohn eines
wohlhabenden Goldschmieds auf. Damals wütet noch der dreißigjährige Krieg in
Europa. Und klar: Stensen ist damals Protestant. Sein Interesse gilt schon früh
der Medizin. Um weiter zu studieren verlässt Stensen seine Heimat in Richtung
Niederlande. An der medizinischen Fakultät Leiden betreibt er erfolgreich
medizinische und andere naturwissenschaftliche Forschungen, die ihn in ganz
Europa bekannt machen. Als erster Mediziner unterscheidet er Drüsen von Lymphknoten.
Faszinierend seine Forschungen zur sogenannten Winkelkonstanz bei Kristallen:
Oberflächen von Kristallen stehen immer im selben Winkel zueinander – unabhängig
von Größe und Form. Damit legt er damals bahnbrechend das Fundament der modernen
Kristallographie. Und noch etwas: Als erster erkennt Niels Stensen, dass
Fossilien (Versteinerungen) eigentlich Überreste von Lebewesen sind.
Und als Geologe formuliert er das sogenannte
„Lagerungsgesetz“ – die Grundlage der modernen Geologie. 1666 kommt Stensen als
Wissenschaftler auch nach Florenz. Dort lernt er den katholischen Glauben näher
kennen. Schon ein Jahr später wird Stensen katholisch. Das verbaut ihm in
Dänemark jegliche Möglichkeit, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Er kehrt nach
Florenz zurück, studiert dort Theologie und strebt einen geistlichen Beruf an.
1675 wird er in Florenz zum Priester geweiht. Weil er aber nun mal auch als
Wissenschaftler bekannt ist, wirkt seine Begeisterung für das Katholische
offensichtlich umso mehr. Er gelingt ihm zahlreiche Persönlichkeiten ebenfalls
für den katholischen Glauben zu begeistern. Das und seine innere Verbundenheit
mit seiner nordischen Heimat bringt ihm 1677 den Titel „Apostolischer Vikar des
Nordens“ ein. Mehr noch: 1680 wird er Weihbischof in Münster und zugleich
Dechant des Kollegiatskapitels von St. Ludgeri in der westfälischen Domstadt.
Damit verbunden sind gute Einkünfte, die er größtenteils für die Unterstützung
der Armen einsetzt. Niels Stensen behält sich bei aller Karriere einen klaren
Blick für die Verhältnisse und ein feines Gespür für Dinge, die aus dem Ruder laufen.
So wettert er 1683 öffentlich gegen Bestechungen im Zusammenhang mit den
münsterschen Bischofswahlen. Das kostet ihn das Amt des Weihbischofs. Es folgen
Stationen in Hamburg und Florenz.
1685 erhält
er das Angebot, eine Missionsstation in Schwerin zu übernehmen und reist als
einfacher Missionar nach Mecklenburg. Die Belastungen der Reise schwächen den
mittlerweile kränklichen Stensen zusätzlich. Der „Apostolische Vikar des
Nordens“ stirbt schließlich am 5. Dezember 1686 im Alter von nur 48 Jahren,
wird in seine Wahlheimat Florenz überführt und dort beigesetzt.
Das Leben von Niels Stensen war immer geprägt von Enttäuschungen. Obwohl er sich als junger Seelsorger in Florenz durch außerordentliche Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit auszeichnete, waren seine klaren Worte vielen ein Ärgernis. Besonders sein Wettern gegen die oft ausschweifende Lebensführung der ihm Anvertrauten waren sein Markenzeichen. Sein hoher Selbstanspruch führte in ein sehr entbehrungsreiches Leben. Fünf Wochen dauert die schwere, am Ende tödliche Gallenkrankheit, die ihn ans Bett fesselte. Seine letzten Worte sind so etwas wie ein festes Bekenntnis: Jesus – sei mir Retter! Und sie scheinen mir ein Schlüssel zu seinem Selbstverständnis: Jesus – sei mir Retter – egal, was mir passiert, welche Ungerechtigkeiten und Rückschläge ich zu verkraften habe. Sei du mir Retter, Jesus, dann wird alles gut. Vielleicht hilft ihnen dieses kurze Gebet des seligen Niels Stensen ja, bei allen Unwägbarkeiten gut in die neue Woche zu starten.
Ihr Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.