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Kirche in WDR 5 | 28.10.2023 | 06:55 Uhr
Zeitenwende – Winterzeit beginnt
Das schon
einmal vorab: Vergessen Sie nicht, in der kommenden Nacht ihre Uhren auf die
Winterzeit umzustellen. Sonst könnte es passieren, dass sie morgen zu ihrem
ersten Termin eine Stunde zu früh erscheinen. Denn: Uns wird die
„geklaute“
Stunde von Ende März jetzt wieder zurückgegeben. Die Uhren
werden in der kommenden Nacht um eine Stunde zurückgestellt.
Dieser eigentlich simple, technische Vorgang hat etwas von Zeitenwende. Jedes Jahr gleich zweimal. Und – vielleicht geht es ihnen so wie mir: Ich hatte schon immer etwas Schwierigkeiten mit jeder dieser Zeitumstellungen. Unabhängig davon, ob sie nun sinnvoll oder nicht mehr sinnvoll erscheinen mag. Und doch: auch wenn es immer nur eine einzelne Stunde vor oder zurück geht – irgendwie benötige ich immer einige Tage, bis sich mein natürliches Zeitgefühl wieder normalisiert hat.
Faszinierend finde ich indes die Beobachtungen, die ich aus diesem Anlass immer schon einmal mache – und die sich im Laufe der Zeit stark gewandelt haben. Ging es im April 1980 bei der ersten neuzeitlichen Umstellung auf die Sommerzeit noch darum, alle möglichen Uhren von Hand umzustellen – von der Armbanduhr bis zur historischen Kirchturmuhr- erledigen das heutzutage die zentralen Atom-Uhren mit ihren Funkimpulsen, die auch die Zeit im Internet regeln, vollautomatisch. Das Thema „in der richtigen Zeit unterwegs sein“ ist bei uns aber schon viel älter. Schon von 1916 – 1918 gab es diese Sommerzeit-Umstellung zu Kriegszeiten um so Energie zu sparen. Auch in den schwierigen Jahren 1940 –1949 wurden die Uhren umgestellt – 1947 sogar einmalig für eine „Hochsommerzeit“, die um gleich zwei Stunden von der Normalzeit abwich.
Was aber ist die „richtige Zeit“? Daran entzünden sich immer wieder die Diskussionen um die Zeitumstellung oder deren Abschaffung. Diese Frage ist beim näheren Nachdenken nicht so leicht zu beantworten – und ich stoße regelmäßig bei dieser Fragestellung in philosophische Tiefen vor. Ja – was ist die richtige Zeit?
Vor einiger Zeit kam mir beim Nachdenken über diese Frage eher beiläufig der Einleitungssatz des „Actus Tragicus“ in den Sinn. Das ist die Kantate, die Johann Sebastian Bach aus Anlass eines Trauerfalls 1707 oder 1708 geschrieben hat. Der Text der Kantate beschäftigt sich in genialer Weise mit dem Sterben und der Vergänglichkeit. Und da heißt es gleich zu Beginn unter Verwendung von Worten aus der Apostelgeschichte des Neuen Testamentes:
Sprecherin:
„Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit. In ihm leben, weben und sind wir, solange er will. In ihm sterben wir zur rechten Zeit, wenn er will. Ach, Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ [1]
In frommer Ergebenheit vertraut sich der Autor im Geist der Zeit ganz Gott an. Er allein bestimmt den rechten Zeitpunkt. Und der Mensch solle nur klug mit der ihm geschenkten Zeit umgehen – denn er ist endlich.
Vielleicht ist das ein guter Schlüssel zur lästigen Umstellung der Zeit in der kommenden Nacht: Besinne dich einfach noch einmal auf deine Zeit, die dir geschenkt ist. Denke einfach einmal an den Sommer zurück, der zuendegegangen ist. Und denke über das nach, was dich im Winter erwarten wird. Und für Fans der Sommerzeit zum Abschluss noch eine Eselsbrücke, mit der man sich die Umstellrichtung der Uhren merken kann: Die Zeit wird immer in Richtung des Sommers gestellt. Im Frühjahr eine Stunde vor – und im Herbst eine Stunde zurück.
Kommen sie gut durch die Nacht der Zeitumstellung und haben sie einen gesegneten Sonntag in der neuen-alten Zeit.
Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen.
[1] Johann-Sebastian Bach, Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ BWV 106 (2. Satz Coro con Choral)