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Das Geistliche Wort | 01.11.2023 | 08:40 Uhr

Allerheiligen – Allerhand

Guten Morgen!

Schwerer Brocken am frühen Morgen – finde ich. Gleich alle Heiligen? Geht es nicht eine Nummer kleiner?

Das Lied „O when the saints“ macht mir persönlich den Anweg etwas leichter. Es hat eine Leichtigkeit, die sich für mich mit der Melodie vermittelt. In Gedanken bin ich dann am Lagerfeuer oder am Ende einer Party und alle singen mit. Kaum einer kennt den Text wirklich vollständig. Na ja, und von einer treffenden Übersetzung wollen wir gar nicht erst reden. Aber Singen, das geht, auch wenn wir nur die Melodie hören.

Musik I: James Bryan, When the saints


Und? Haben Sie mitgesungen? Ich möchte diese Melodie gerne für ein gemeinsames Nachdenken nutzen. Ein Klangteppich sozusagen. Mir hilft es, die Gedanken nicht zu schwer werden zu lassen. Schwere Gedanken begleiten viele in der letzten Zeit an ganz verschiedenen Orten und von ganz vielen Orten her. Ich brauche noch nicht einmal Stichworte zu benennen. Kriegs- und Krisenbilder sind zu Dauerbegleitern geworden. Hinzu kommen die durch und durch schockierenden Missbrauchstaten, auch aus den innersten Kreisen der Kirche. Es ist ganz wichtig, dass sich Kirche diesen Themen stellt.

Und wenn ich mir für die heute folgenden Gedanken etwas Leichtigkeit wünsche, dann soll mit von dem eben Erwähnten nichts, aber auch gar nichts, leicht genommen werden. Es fällt mir also schwer, heute Festtagsgedanken zu Gehör zu bringen. Hinzu kommt, dass der Festtag für sich schon sperrig daher kommt.

Ich erlebe in meiner Arbeit in der ökumenischen Citykirche St. Nikolaus in Aachen seit der Coronazeit eine große Müdigkeit mit Blick auf die Bearbeitung schwieriger Themen. Unterhaltsames wie Theaterstücke, Konzerte oder andere Musikbeiträge werden gerne besucht. Wird es aber thematisch, zum Beispiel bei einem Diskussionsabend zur Situation von Migranten, schalten viele ab. Meine persönliche Bezeichnung dafür ist: „Das Heimatfilmsyndrom“. Was damit gemeint ist, möchte ich kurz erklären: Nach dem zweiten Weltkrieg kamen massenhaft romantische Heimatfilme in die Kinos. „Echo der Berge“, „Grün ist die Heide“ und „Die Fischerin vom Bodensee“ mit dem ständig gut gelaunten Peter Alexander. Immer zu Herzen gehende Melodien und Lieder, mit sehr seichten Inhalten und am Ende wird alles gut. Die Menschen brauchten das wohl. Dieser Wunsch nach heiler Welt, nach Heilendem ist heute auch wieder da. Ich habe dafür durchaus Verständnis. Und ich glaube, zusammen mit dem eben erwähnten Klangteppich, kann uns das Fest Allerheiligen etwas sagen, zu einem Weg in eine heilere Welt.

Dazu möchte ich das Wort einmal in drei Teile zerlegen, nämlich: Alle, Heil und Heilige.

„Alle“! Das ist doch schon mal sehr einladend. Alle sind angesprochen, alle sind gemeint. Ein Festtag, der nicht ausschließt, sondern sich allen anbietet. „Todos! Todos! Todos!“ – „Alle! Alle! Alle!“, so rief Papst Franziskus in seiner Muttersprache auf dem letzten Weltjugendtag. Und er forderte sogar die anwesenden Jugendlichen dazu auf, ihm nachzusprechen, damit alle es auch hören und verstehen: Allen gilt die Einladung, mit dabei zu sein. Und das klingt so, wie die Antwort auf die Bitte aus dem Refrain im Lied unseres Klangteppichs: „Dann lass mich mit dabei sein.“ Alle sollen dabei sein, die es wollen!

Meiner Meinung nach hat der Festinhalt von Allerheiligen eine globale Dimension. Er sagt über alle Grenzen der Religionen hinweg: Alle haben die Chance, zu dieser himmlisch-irdischen Gemeinschaft dazuzugehören und nicht einmal die absolute Grenze des Todes spielt dabei eine Rolle. Dabei sein zu können gilt für alle, ob Lebende oder Tote. Allerhand.

Musik II: Louis Armstrong, When the Saints


Allerheiligen – aufgeteilt in: Alle, Heil und Heilige. Schauen wir nun auf das Wortstück: „Heil“. Was für ein wunderschönes Wort – wenn man die geschichtliche Vorbelastung bei Seite lässt. Es findet sich in Heilung, Heilwerden, Heilsgewissheit und auch in dem sehr fromm anmutenden Namen Heiland. Heilendes zu erleben ist ein Geschenk. In dem Wunsch, dass Zerbrochenes und Verwundetes wieder heil wird, könnten sich doch alle finden. Ich glaube, darin liegt eine weitere Chance.

Es gab zu allen Zeiten Menschen, die sich darauf verstanden, ein Stück Heil in diese vielfältig unheile Welt zu bringen. Menschen, die es verstanden, Wunden und Brüche zu heilen. Einige davon werden daher in der katholischen Kirche als Heilige verehrt. Wobei: Die überwältigende Mehrzahl ist unbenannt und unbekannt.

Und was vielleicht überraschend klingt: Es gibt auch heute noch solche Menschen. Ich kenne eine ganze Reihe davon. Sie bringen ein Stück Heil mit zur Tür herein, noch bevor ein einziges Wort gesagt wurde.

Ich habe da einen Hospizbegleiter vor Augen, dessen Lächeln den Raum heilsam füllt. Oder eine Mutter mit ihrem neugeborenen Kind. Oder meinen früheren Hausarzt. Die Art und Weise, wie er sagte: „Wie geht es Ihnen?“ tat schon irgendwie gut.

Wenn dann noch ein Tier mit zur Tür herein gebracht wird, kann sich dieser heilende Effekt noch verstärken. Davon werde ich bei uns im Pfarrbüro immer wieder Zeuge. Ein mitgebrachter Hund verbreitet dort oft Freude.

Und in der christlichen Perspektive: Der, der mit dem Titel „Heiland“ bedacht wird, ich meine also Jesus, war auch so ein Mensch. Wohin er auch kam, kam ein Stück Heilung. Das durchzieht sein ganzes Leben, sein Sprechen und Handeln. Davon erzählen die Gleichnisse und alle Erzählfäden der Evangelien mit den vielen Heilungsgeschichten. Jedes Kind kennt die Geschichte vom blinden Bettler Bartimäus, der Jesus hinterher rief oder den Kranken, der mit einer Bahre durch die Decke heruntergelassen wurde, damit Jesus ihn berühren kann. Nun mag man sagen: Ja, der Jesus, der war was Besonderes.

Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mensch grundsätzlich in der Lage ist, mit seinen Möglichkeiten ein kleines Stück Heil auch in unsere Zeit zu bringen. Der Allerheiligentag könnte dazu motivieren.

Alles wird damit noch nicht heil, aber: Eine große Perspektive, kann auch aus dem Kleinen entstehen. Wir müssen es nur versuchen. Allerhand.

Musik III: Louis Armstrong, When the Saints


Allerheiligen – nach meiner Sprechweise: Alle, Heil und Heilige. Jetzt also sind wir bei den Heiligen. Auch hier möchte ich den Versuch machen, vom Großen weg, beim Kleinen zu beginnen. Ich glaube nämlich, Heilige sind keine Gipsfiguren, die von unten her an einer Säule hängend betrachtet werden müssen. Diese Perspektive: „wir hier unten und die da oben“ hat durch viele Jahrhunderte hindurch zu einer verzerrten Wahrnehmung aller Heiligen geführt. Irdische Gegebenheiten mit oben und unten fanden sich in kirchlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten wieder und wurden in die himmlischen Perspektiven hineinprojiziert. Wir finden das in Figuren und Gemälden, Gebeten und Liedern wieder. Wie in dem Lied „Ihr Freunde Gottes allzugleich“, das gerade heute in kaum einem katholischen Gottesdienst fehlen wird. Da werden die Heiligen besungen, als die im Himmelreich hoch Verherrlichten, die uns im Erdental helfen sollen.

Viele Heilige waren aber zu Lebzeiten auf Augenhöhe mit ihren Zeitgenossen. Das war auch ein Grund dafür, dass sie über ihren Tod hinaus verehrt wurden. Für alle gilt das allerdings nicht. Denn in meinem Studium in Rom wiederholte ein Prediger am Allerheiligentag immer wieder den Satz: „Ich mag Allerheiligen, aber ich mag nicht alle Heiligen.“ Er fand Zustimmung bei uns Studenten, auch in der dann präsentierten Auswahl der Heiligen, die er mochte. Die, die er nicht mochte, hat er übrigens nicht erwähnt. Unter den Heiligen gibt es natürlich uneingeschränkte weibliche und männliche Sympathieträger: zum Beispiel Barbara, Nikolaus und Martin. Legendarische Figuren, von denen es zwar zum Teil sehr merkwürdige Überlieferungen gibt, die aber als Person durchweg positiv bleiben. Nikolaus, der diskret nachts drei Goldklumpen zum Fenster hinein warf, damit drei Töchter nicht von ihrer Familie getrennt werden mussten. Er achtete immer darauf, dass die Beschenkten nicht beschämt wurden. Nikolaus, der den Dank nicht auf sich, sondern vielmehr auf Gott lenken wollte. Die Geschichten berühren noch heute.

Barbara wurde zur Schutzpatronin der Bergleute, weil sie sich damit auskannte, was es heißt, im Dunklen festzusitzen. Ihr Vater hatte sie in einen Turm gesperrt.

Oder der noch bekanntere Martin, der sah, was ein Bettler brauchte, um nicht zu erfrieren. Es war und ist das Menschliche, was die Heiligen ausmacht. Ein menschennaher Zugang zu Himmlischem.

Aber es ist nicht immer ganz so einfach. Mit dem inzwischen Heilig gesprochenen Papst Johannes Paul dem Zweiten, hatte ich es als junger Student schwer. Ich konnte viele seiner Positionen nicht teilen. Er ist übrigens bislang auch der einzige Heilige, der mir eine Hand voll Asche auf den Kopf gestreut hat. Das war an einem Aschermittwoch während meiner Studienzeit in Rom.

Gefallen hat mir allerdings sein Anliegen, bei seinen unzähligen Reisen, gerade auch in die ärmeren Länder der Welt: Dort hat Johannes Paul II. viele Menschen heiliggesprochen, die aus den dortigen Kulturkreisen kamen. Die ortsnahen Heiligen sollten den Menschen näher und zugänglicher sein, als die Gestalten aus dem christlichen Europa. Deren Prägung passt nicht zur Erlebenswelt von Menschen in anderen Kontinenten.

Je näher wir aber in der Zeitrechnung an unsere Zeit herankommen, umso mehr werden Schattenseiten der Lichtgestalten deutlich. Auch bei den offiziell als heilig anerkannten Menschen ist weiß Gott nicht alles heil. Aber ist das eine schlechte Nachricht? Ich glaube nicht. Im Gegenteil! Heilige sind Menschen, die versuchen ein Stück Heil in ihre Zeit zu bringen. Das gelingt aber nicht immer und damit sind die scheinbar entrückten Gestalten unserer Erde viel näher. Sie kommen damit wieder auf Augenhöhe mit uns und können uns als Nicht-Perfekte ganz viel sagen. Allerhand.

Musik IV: Charlie Byrd Ensemble, When the Saints


Allerheiligen – Alle, Heil und Heilige. So komme ich zum Resümee: Dieses Fest hat einen Impuls an alle Menschen, – nicht nur an die Katholiken, die das heute feiern. Dieses Fest verspricht Begegnung mit Menschen, die sich mit dem Menschsein auskennen und zwar mit allen Höhen und Tiefen. Dazu gehört auch das eigene Versagen. Die Heiligen wollten nämlich nie heilig genannt werden, weil sie um sich selbst und ihr eigenes Versagen wussten. Und gerade das zeigt mir: Himmlisches Heil wird durch sie irgendwie irdischer, zugänglicher. Denn da sind Menschen, die sich mit Heilendem auskennen, ja an denen ich ablesen kann, wie ich mein Denken, Reden und Handeln in eine heilbringende Richtung bringen kann.

Denken wie Franz von Assisi: Er liebte alle Geschöpfe und die ganze Schöpfung.

Reden wie Theresia von Ávila: Sie schreckte nicht davor zurück, den Mächtigen in Kirche und Welt ihrer Zeit ins Gewissen zu reden.

Handeln wie Martin: Nicht viel fragen, helfen!

Auch wenn ich mich wiederhole: Ich finde, das ist Allerhand.

So wünsche ich von Herzen einen gesegneten, einen von Musik unterfangenen, einen schönen Allerheiligen-Tag. Und lass dich und mich mit dabei sein, wenn die Heiligen mit hineinkommen, in dieses, unser Leben.

Aus Aachen grüßt Pfarrer Timotheus Guido Gottfried Eller.

Musik V: Gospel-Chor, When the saints

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