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Kirche in WDR 5 | 06.11.2023 | 06:55 Uhr
Ohne Kompass
„Ausgesetzt ohne Kompass.“ Das bedeutete in früheren Zeiten fast immer ein Todesurteil. Es war eine Strafe in der Seefahrt für Piraten: Sie wurden ohne Kompass einfach ausgesetzt und die Chance zu überleben, war extrem niedrig, weil es außer der Sonne und den Sternen keine Orientierung gab. Verrückt nur, dass es heute einen kuriosen Feiertag weltweit gibt, bei dem es darum geht „ohne Kompass gestrandet zu sein“. Vielleicht ist das ja eine Gegenbewegung dazu, dass heutzutage jedes Handy einen Kompass hat man also nicht verloren gehen kann. Egal – mich hat dieser kuriose Feiertag – er wird wohl vor allem in den USA begangen – inspiriert, einmal darüber nachzudenken, was das wohl heißt, ohne Kompass, also ohne Orientierung zu sein. Und ich muss zugeben: Ohne meine Handy-App für Landkarten bin ich verloren.
Ich war nicht bei den Pfadfindern. Alles, was ich in Geographie mal wusste, um mich in der Landschaft zu orientieren, ist weg: Sonnenrichtung, Bäume, Wasserläufe. Aber das ist nur das eine. Orientierungslos zu sein, kennt noch ganz andere Bereiche und Situationen, bei denen es im übertragenen Sinne ums Überleben geht: Da bricht das Leben ein und alles ist plötzlich neu und fremd, zum Beispiel die Krebsdiagnose, die beim Routinecheck beim Arzt herauskommt. Oder ich denke an den plötzlichen Unfalltod des eigenen Kindes, der entdeckte Ehebruch des Partners und vieles mehr. Ich bin sicher, jeder und jede von Ihnen kennt Situationen, in denen Sie sich wie ausgesetzt ohne Kompass gefühlt haben.
Aber woran orientiere ich mich dann? Handy-Apps helfen da nicht weiter. Manchmal können Menschen, die solche Situationen verstehen und nachempfinden, weiterhelfen, vielleicht, weil sie sie selbst bereits erlebt und überlebt haben. Aber loslaufen, gehen, weiterleben, muss jede und jeder selbst und seinen eigenen Weg finden, um mit der Situation klar zu kommen. Also: Wo ist mein Kompass? Gibt´s den überhaupt? Es gibt eine biblische Geschichte, die auch vom Kompass in der Orientierungslosigkeit erzählt – und es ist eine Seefahrts-Geschichte. Sie erzählt von Petrus, einem der Jünger Jesu. Der nimmt den Mund manchmal ganz schön voll, wenn es um seine Beziehung zu Jesus geht. Einmal sitzt er mit seiner Mannschaft in einem Boot und gerät in heftige Seenot. Und in dieser Notsituation kommt Jesus ihm und seinen Kollegen auf dem Wasser entgegen. Allerdings ist das noch nicht die glückliche Rettung vor dem Untergang. Petrus nämlich, ist so großmäulerisch mutig, dass er auf dem Wasser Jesus entgegengehen will. Er wagt sich aus dem sicheren Boot, geht über unbekanntes Terrain und fokussiert sich dabei auf Jesus, hat ihn im Blick. Bei seinem Gang auf dem Wasser während des Sturms geht er solange nicht unter, wie er auf Jesus blickt. Und mit diesem Blick hat er Orientierung. Erst, als er diesen Blick abwendet, sieht, wie heftig der Wind ist, da bekommt er Angst und Panik, verliert die Orientierung und droht unter zu gehen. Er ruft Jesus um Hilfe und die Geschichte geht gut aus: Jesus streckt die Hand aus und ergreift Petrus.
Diese Geschichte bietet mir immer wieder sehr anschaulich einen Kompass im Angesicht der Not an: Wende deinen Blick auch und gerade in der Krise nicht ab von Jesus. Es hilft mir, mich auf Jesus hin auszurichten, Orientierung zu finden an seinen Worten und seinem Handeln und zu wissen, dass ich ihm auch auf unbekanntem Terrain vertrauen kann. Für alle anderen Orientierungsfälle habe ich ja meine Handy - App.
Aus Gladbeck grüßt Sie Meike Wagener-Esser