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Das Geistliche Wort | 24.12.2023 | 08:40 Uhr

Greccio - Die Geburt der Weihnachtskrippe 1223

Guten Morgen!

Spätestens jetzt wird es Zeit, die Krippe aufzustellen – wenn man sie denn überhaupt aufstellen will. Heute ist immerhin vierter Advent und zugleich Heiligabend. Das kommt nicht so häufig vor. Und – was das Ganze noch besonders macht: Heute ist eigentlich der Geburtstag der Krippe, also der Inszenierung der Krippe als ein Krippenspiel. Und das geht zurück auf den Heiligen Franziskus von Assisi im Jahre 1223. In einer Felsgrotte nahe der kleinen Stadt Greccio im Tal von Rieti, 90 Kilometer nordöstlich von Rom, ließ er eine Krippe mit echten Tieren inszenieren.

Musik I: Charles Wood (Text: John Rutter), Once as I remember


Franziskus befindet sich auf dem Rückweg von Rom nach Assisi und pausiert mit einigen Mitbrüdern in einem kleinen Kloster bei Greccio. Franziskus kennt das Kloster schon seit etwa 1217. Er ist wahrscheinlich gut gelaunt, denn hier erreicht ihn die Nachricht: Sein junger Orden, der Franziskaner-Orden, ist von Papst Honorius III. anerkannt und die Ordensregel der Franziskaner bestätigt worden. Diese Anerkennung zu bekommen, war gar nicht so einfach. Ein erster Entwurf war vom Vorgängerpapst
verworfen worden. Wahrscheinlich war die erste Regel zu spirituell und zu wenig kirchenrechtlich strukturiert gewesen. Solche Diskrepanzen soll es ja bis heute geben, dass geistliche Impulse und Erneuerungen aus der Basis zu wenig ins theologische und kirchenrechtliche System Roms passen… Wie dem auch sei.

Franziskus hat 1223 also eine Idee: Von der wissen wir bis heute, weil einer seiner Mitbrüder aus dem Orden der Franziskaner, nämlich Thomas de Celano, das Leben des Franziskus sehr genau beschrieben hat. Franziskus, so schreibt er in der ersten Vita des Heiligen, bedenkt die Worte Jesu und dessen Werke, vor allem seine Geburt. Es geht Franziskus darum: Wie kann ich der Menschwerdung Gottes in Jesus näherkommen, wie kann ich sie besser erfahren, denn sie ist doch ein Ausdruck größter Demut. Immerhin: Gott verzichtet auf seinen göttlichen Status und lässt sich auf seine Schöpfung ein und kommt als ein hilfloses Kind zur Welt. Für Franziskus zeigt sich hier die große Liebe, die Gott für die Menschen hat, für die Gott in seinem Sohn Jesus sogar bereit ist zu leiden und zu sterben.

So spricht Franziskus 14 Tage vor dem Weihnachtsfest 1223 einen Mann namens Johannes Velita an, einen angesehenen, aber bescheidenen Mann aus Greccio:

Sprecher:

„Wenn du wünschtest, daß wir bei Greccio das bevorstehende Fest des Herrn feiern, so gehe eilends hin und richte sorgfältig her, was ich dir sage. Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“[1]


Musik II: Gerald Finley, I wonder as I wander


Gesagt – getan. Johannes Velita geht sofort daran und bereitet alles so vor, wie es ihm Franziskus aufgetragen hat. Dann ist Weihnachten. Mitbrüder des Franziskus kommen aus umliegenden Klöstern nach Greccio außerdem Männer und Frauen aus der Gegend. Sie haben brennende Kerzen und Fackeln dabei, um die Nacht zu erleuchten. Heu wird in eine Krippe gelegt, ein lebendiger Ochse und Esel herbeigeführt. Und auch Franziskus tritt heran und freut sich, denn „aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem“[2], wie es in der Lebensbeschreibung des Franziskus heißt.

Woher aber hatte Franziskus die Ahnung, wie das echte Bethlehem ausgesehen haben mag?

Um das zu beantworten, muss ich etwas ausholen: Franziskus selbst war 1219, also wenige Jahre zuvor, nach Ägypten und Syrien gereist. Es war die Zeit des fünften Kreuzzuges. Nur: Franziskus wollte nicht kämpfen und das Christentum mit Gewalt verbreiten, sondern sich für den Frieden einsetzen.

Gekämpft hatte er als junger Mann in einem Krieg zwischen seiner Heimatstadt Assisi und der Nachbarstadt Perugia. Damals war er in Kriegsgefangenschaft geraten. Das war wohl der Auslöser dafür, sein Leben radikal zu ändern. Ursprünglich aus reichem Elternhaus war er als junger Mann nämlich mehr ein Playboy und Draufgänger gewesen, ein Ritter und ein Troubadour. Doch im Gefängnis kommt er zum Nachdenken über sich und sein Leben. Es heißt, dass ihn eine Stelle aus der Bibel tief getroffen habe. In der fragt ein reicher Mann Jesus (Mk 10,17): „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Und die Antwort Jesu haut den reichen Mann buchstäblich um und damit auch Franziskus (Mk 10,21): „Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“

Franziskus setzt diese Aufforderung radikal um. Das gipfelt darin, dass er bei einer Gelegenheit vor den Augen des Bischofs von Assisi seinem Vater die Kleider zurückgibt, die er am Leib trägt. So steht er ganz nackt da und verschreibt sich von nun an dem Ideal der Armut, will heißen: Materiell lebt Franziskus ab da vollkommen anspruchslos. Das zeigt sich schließlich in seiner Sensibilität für das Einfache, wie zum Beispiel der Armut an der Krippe von Weihnachten. Durch seine Radikalität, werden immer mehr Menschen auf ihn aufmerksam. Viele Männer und Frauen folgen Franziskus nach, so dass er schon bald viele hundert Anhänger hat. Sie entdecken das Armutsideal nicht nur für sich selbst, sondern leben und verbreiten es auch.

So kommt Franziskus eben selbst bis Ägypten, wo er Sultan al Malik al-Kamil trifft und beeindruckt. Aber letztlich kann er nichts ausrichten, um den Frieden in Palästina herzustellen. Wahrscheinlich besucht er aber in dieser Zeit die heiligen Stätten in Jerusalem und Bethlehem, wo er auf einem Hirtenfeld ähnliche einfache Grotten findet wie eben die von Greccio. Nach Italien zurückgekehrt muss ihm das alles in Erinnerung gekommen sein, als er das Weihnachtsfest in Greccio begehen will und lebendig inszenieren lässt. So schreibt schließlich Thomas de Celano von der Weihnachtsfeier:

Sprecher:

„Die Leute eilen herbei und werden bei dem neuen Geheimnis mit neuer Freude erfüllt. Der Wald erschallt von den Stimmen, und die Felsen hallen wider von dem Jubel. Die Brüder singen und bringen dem Herrn das schuldige Lob dar, und die ganze Nacht jauchzt auf in hellem Jubel. Der Heilige Gottes (Franziskus) steht an der Krippe, er seufzt voll tiefen Wehs, von heiliger Andacht durchschauert und von wunderbarer Freude überströmt. …

Da legt der Heilige Gottes die Levitengewänder an - denn er war Diakon - und singt mit wohlklingender Stimme das heilige Evangelium. … Dann predigt er dem umstehenden Volk von der Geburt des armen Königs und bricht in lieblichen Lobpreis über die kleine Stadt Bethlehem aus.“[3]

Musik III: The Cambridge Singers an the City of London Sinfonia, Candlelight Carol


Ob in Greccio tatsächlich auch ein neugeborenes Kind in die Krippe gelegt worden ist, erwähnt Thomas de Celano in seiner ersten Vita des Franziskus nicht. Aber er schreibt, dass über der Krippe eine Messe gefeiert wird. Das ist insofern bemerkenswert, da es bei der Messfeier wie bei Weihnachten letztlich um dasselbe Geheimnis geht: Gott erscheint in dieser Welt. An Weihnachten wird Gott als Mensch geboren und trägt den Namen Jesus. Und bei jeder Heiligen Messe heißt es von dem Brot: Das ist der Leib Jesu Christi.

Vielleicht hat Franziskus ja anstatt eines Kindes schließlich ein Stück Brot – also den Leib Jesu – in die Krippe gelegt. Gepasst hätte es. Denn Franziskus, so heißt es, beschäftigte sich „vor allem mit der Demut der Menschwerdung Jesu“[4]. Und die zeigt sich in dem hilflosen Kind genauso wie in dem einfachen Stück Brot, in dem Gott gegenwärtig wird. Und bestimmt kannte Franziskus schon sehr frühe christliche Reliefs und Bilder aus Italien, die die Krippe als einen Altar zeigen, um so diesen Zusammenhang der Inkarnation also der Mensch- und Fleischwerdung deutlich zu machen.

Zurück zu dem Bericht des Thomas de Celano. Denn der weiß noch etwas anderes von der Krippe in Greccio zu erzählen, was aber genau dazu passt, die Gegenwart Gottes nicht zu vergessen, egal wie Gott erscheint. Da heißt es:

Sprecher:

„Ein frommer Mann hatte ein wunderbares Gesicht. Er sah nämlich in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Gottes (also Franziskus) herzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken. Gar nicht unzutreffend ist dieses Gesicht; denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit seiner Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt.“[5]

Musik IV: The Cambridge Singers / John Rutter, Away in a manger


Franziskus wusste wohl noch aus seiner früheren Zeit vor der Bekehrung, als er wie ein Troubadour Lieder dichtete und sang: Es ist mehr das Gefühl, das die Menschen bewegt, als der Verstand. Kein Wunder also, dass er eine lebendige Krippe inszeniert und sie sogar gefühlvoll vernehmbar macht. Denn Chronist Thomas de Celano weiß über die Weihnachtspredigt des Franziskus in Greccio noch etwas mehr zu berichten:

Sprecher:

„Oft wenn er Christus Jesus nennen wollte, nannte er ihn, von übergroßer Liebe erglühend, nur das Kind von Bethlehem, und wenn er Bethlehem aussprach, klang es wie von einem blökenden Lämmlein. Mehr noch als vom Worte floss sein Mund über von süßer Liebe. Wenn er das Kind von Bethlehem oder Jesus nannte, dann leckte er gleichsam mit der Zunge seine Lippen, indem er mit seinem glückseligen Gaumen die Süßigkeit dieses Namens verkostete und schlürfte.“[6]


Franziskus will die Menschen bewegen. Und wie geht das besser, als Erfahrungen zu vermitteln mit allen Sinnen. Man denke nur an seinen wunderbaren Lobpreis auf die Schöpfung, den Sonnengesang. Hier spricht er ganz poetisch viele Elemente der Schöpfung an als Bruder und Schwester und drückt damit eine Intimität zu ihnen aus: „Gelobt seist du Bruder Sonne, Schwester Mond.“ Selbst der Tod wird für Franziskus zur Schwester. Und weil ihm die Elemente der Schöpfung so nahestehen, schließt er mit dem Appell, Gott, den Schöpfer aller dieser Dinge, zu loben und ihm mit großer Demut zu dienen.[7]

Franziskus motiviert zum Mitgefühl. Und das hat Konsequenzen und zeigt sich schon bald nach seinem Tod: So entstehen erste Bilder, die Franziskus an der Krippe von Greccio zeigen, wie er das Jesuskind in den Händen hält und liebkost. Und keine hundert Jahre später geht es in Meditationen über das Leben Jesu, verfasst von einem anderen Franziskaner, genau um dieses Mitfühlen. Der Franziskaner beschreibt die Geburt Jesu und appelliert regelrecht an die Menschen, Erfahrungen zu machen und Gefühl, mehr noch, Mitgefühl zu zeigen, als ob sie – wie Franziskus – an der lebendigen Krippe stehen. Da heißt es:

Sprecher:

„Auch du beuge das Knie, der du solange gezögert hast, dies zu thun und bete den Herrn, deinen Gott an… Sodann küsse die Füßlein des in der Krippe liegenden Kindleins und bitte unsere liebe Frau, sie möge dir den Knaben reichen oder dir erlauben, Ihn selber zu nehmen. Empfange Ihn in deine Arme, drücke Ihn an dich und betrachte aufmerksam Sein Antlitz, küsse Ihn auch ehrfurchtsvollseine Hände und ergötze dich an Ihm mit vollem Zutrauen. Es ist dir erlaubt, dieses zu thun, weil Er gekommen zu den Sündern, um sie zu retten, weil Er mit diesen demüthig Umgang pflegt und Sich sogar Selbst zu Speise ihnen darreicht.“[8]

Musik V: Ex-Semble, Quem pastores laudavere


Die Geburt der Weihnachtskrippe vor genau 800 Jahren. Und bis heute rührt das Geschehen der Weihnacht viele Menschen an, weil es um Gefühl und Mitgefühl geht. So gibt es auch heute noch Krippen, die Erfahrungen vermitteln wollen – ob die Milieukrippe in Maria Lyskirchen in Köln oder eine begehbare moderne Krippe in der Kirche St. Augustinus in Gelsenkirchen. Man selbst muss nur bereit sein, sich dieser Erfahrung zu stellen, so wie das der mystisch-schwärmerische Poet Angelus Silesius in einem seiner Verse aus dem Buch „Cherubinischer Wandersmann“ von 1657 einmal formuliert hat und auch aus der Feder des Franziskus stammen könnte:

„Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren

Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.“

Einen guten vierten Advent und eine gesegnete Weihnacht wünscht


Pater Philipp Reichling aus Duisburg.


Musik VI: Wiener Concert-Verein / Felix Klieser, Deck the Halls



[1] Vita prima di San Francesco d’Assisi del beato Thomas de Celano, XXX, deutsch: Joachim Schäfer: Artikel Das Kloster Greccio, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon - https://www.heiligenlexikon.de/Literatur/Kloster_Greccio.htm, abgerufen am 16. 12. 2023.

[2] Ebd..

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Vgl.: Der Sonnengesang, https://franziskaner.net/der-sonnengesang/.

[8] Zitiert nach: Das Leben Jesu Christi erzählt und betrachtet von dem heiligen Bonaventura. München 1890, S. 28.

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