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Das Geistliche Wort | 25.12.2023 | 08:40 Uhr

Ein tröstlicher Anblick

„Ob Maria jetzt schon ihre Wehen hat?“ Ich muss 10 gewesen sein als ich diese Frage am Nachmittag eines Heiligabends meiner Familie gestellt habe. Ob ich eine Antwort bekommen habe, weiß ich nicht. Ich habe so eine vage Erinnerung daran, dass meine Eltern und Schwestern kurz gestutzt haben. Und ich meine, sie haben auch ein wenig geschmunzelt über diese konkrete Frage. Ich war wohl voll drin in dem weihnachtlichen Geschehen. Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem. Morgen der Geburtstag Jesu. Dann könnte es doch sein, dass es heute schon losgeht mit den Wehen.

Heute ist Weihnachten! Ihnen ein gesegnetes Fest!

Maria hat Jesus zur Welt gebracht: Ganz konkret. Mit all dem, was zu einer Geburt eines Menschen dazu gehört. Wehen, Geburtsschmerz, Bangen und das große Glück, wenn alles gut gegangen ist. Jesus ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern geboren. Mütter und Väter unter Ihnen können vermutlich bestätigen: wenn das Kind dann da ist, sein Hunger ist gestillt, es ist warm genug – dann ist das meist ein Moment der Seligkeit, der heilig ist. Da berühren sich Himmel und Erde. Da kann ich mich nicht sattsehen und bleibe andächtig stehen.

Musik 1: Ich steh an deiner Krippe hier (Str. 1) Kathrin Haag, Thomas Wahl „Wie soll ich dich empfangen?“ Hänssler Nr. 9 Ich steh an deiner Krippen hier

Der Anblick eines Babys lässt den Schmerz und die Sorgen in den Hintergrund treten. Ich sehe: da liegt ein Kind mit all dem, was damit verknüpft wird: mit aller Hoffnung, mit allem, was möglich ist. Es duftet wie nur kleine Kinder duften können. Es gibt wohlige Laute von sich. Wenn ich ein neugeborenes Kind im Kinderwagen oder in einem Tragetuch sehe, freue ich mich jedes Mal. Mir wird klar: Die Zukunft geht weiter. Ich spüre das Vertrauen der Eltern. Das zappelnde oder schlafende Kind ist was Besonderes: bei allen Schwierigkeiten auf der Welt oder in meinem Umfeld, fühle ich mich dann immer getröstet und gestärkt.

Vielleicht war das bei Maria und Josef ganz genauso. Deshalb besuchen vermutlich auch so viele Menschen Krippen und betrachten sie – wie bei uns in der Innenstadtkirche St. Lamberti, wo ich Seelsorgerin bin. Manche sind dann froh und getröstet. Ein Trost, der in diesen Tagen vielleicht besonders wichtig ist.

Ich habe auch immer eine kleine Krippe aufgebaut mit der ganzen Besetzung, die es traditionell dazu braucht. Schon viele Jahre baue ich für einen Freund eine Krippe auf, der vor Weihnachten keine Zeit dazu hat. Für viele gehört Weihnachten eine Krippe dazu und, sich verschiedene Krippen anzuschauen. Für mich auch. Da stehe ich dann einen Moment vor dem kleinen Kind im Stall. Und das ist jedes Mal irgendwie tröstlich für mich.

Musik 2: Lied: Ich steh an deiner Krippen hier (Str. 2)

Tröstende Momente hab ich, Gott sei Dank, schon einige erlebt. Diese hier zum Beispiel:

„Unsere Mannschaft hat heute 10 zu 0 verloren.“ Das sieht man schon, als mein Neffe nach Hause kommt. Seine Körpersprache verrät: alles Mist. Die Oma weiß, was zu tun ist: sie hört zu, ist auch ein bisschen mit traurig, ermuntert und sagt: „Nächste Woche gibt es eine neue Möglichkeit!“

Ich erinnere mich genau, dass ich mit einer schlechten Klausur nach Hause gekommen bin. Ich war sehr frustriert. Ich hatte echt viel geübt. „Man muss nicht alles können“, sagte meine Mutter.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, hat meine Freundin in einem Trauerfall gesagt. „Aber ich bin da, wenn du willst!“

So ein Trost ändert weder das Fußballergebnis noch die schlechte Note. Trost macht auch den Verstorbenen nicht wieder lebendig. Aber der Traurige merkt: ich bin nicht alleine. Ich trudle, aber jemand reicht mir die Hand. Ich sacke gerade ab, aber jemand gibt mir Halt.

Getröstet zu werden und selbst zu trösten ist für mich sehr wichtig. Das Thema beschäftigt mich. Werde ich getröstet, entsteht neue Energie, denn der Trost schafft ein bisschen Abstand zu dem, was mich betrübt. Wenn ich selber tröste, passiert auch was: ich öffne mich und zeige: Ich mag dich. Ich bin mit dir traurig. Ich ahne deinen Schmerz und ich bin für dich da. Ich habe Kraft und Energie für dich mit.

Für mich sind das kleine heilige Momente, in denen Himmel und Erde sich berühren.

Musik 3:
Tröstet mein Volk, Calmus-Ensemble

Eine gold-gelbe Leiter hoch oben in der Luft. Es sieht im Dunkeln so aus, als ob sie schwebt. Das ist die Himmelsleiter an der Lambertikirche in Münster. Man sieht sie fast von überall, wenn man in die Stadt fährt. Wenn es diesig ist, sieht sie aus wie ein Laserschwert. Die Himmelsleiter ist eine Kunstinstallation der Wiener Künstlerin Billi Thanner. Sie beginnt innen in der Kirche, geht dann außen an der Turmhaube weiter und ragt ein ganz kleines bisschen über den Turm hinaus.
Wenn die Leute die Himmelsleiter von der Straße oder vom Kirchplatz aus sehen, geschieht mit ihnen oft das gleiche: Sie gucken erst hinauf zum Turm, stutzen, dann schauen sie ein zweites Mal und richten sich dabei hoch auf. Viele greifen zum Handy und machen ein Foto. Das Kunstwerk stoppt einen ein bisschen im Laufen.

Wie an seinem Ursprungsort Wien begeistert die Himmelsleiter viele.

Manchmal kann ich mir selbst nicht erklären, warum das so ist. Ein kleines Mädchen hat mir erzählt:
„Ich kann vom Bett aus die Himmelsleiter sehen. Wenn ich nicht einschlafen kann, dann schaue ich sie mir an.“ Ein Freund hat mir geschrieben: „Die Himmelsleiter hat es schon angedeutet. Unser Vater ist gestern gestorben.“ Eine Frau hat von ihrem Krankenhausaufenthalt erzählt: „Der Anblick der Himmelsleiter hat mich getröstet, als es mir so richtig dreckig ging.“

Klar- ein Licht über der Stadt weithin sichtbar - das spricht an. Ich vermute es ist die helle, goldgelbe Farbe, die viel Wärme ausstrahlt. Sie spendet Trost. Gerade im Winter wirkt sie besonders. Sie erinnert an warme und goldene Situationen und tröstet in schwierigen Momenten. Die Himmelsleiter wurde eingeschaltet, als wir im September 2022 wegen der Energiekrise gerade alle überlegt haben, wie man Strom sparen kann. Gerade in der Zeit, in der in der Stadt an vielen Stellen die Lichter ausgingen, haben wir die Himmelsleiter eingeschaltet. Das hat die Menschen aufmerken lassen und getröstet. „Wenigstens da brennt Licht!“

Wenn ich im Dunkeln auf der Suche nach einem Haus oder einer Straße bin, bin ich froh um jedes Licht, das ich sehe. Das sagt mir: da ist vielleicht jemand, der weiterweiß. Da könnte jemand zu Hause sein, der mich rein lässt.

Musik 4: Till Bronner: The Christmas Album, Silent night

So verstehe ich auch meinen Glauben: er richtet mich auf. Er macht mich groß, weil Gott zu mir steht. Ich bin mir meiner Größe und meiner Möglichkeiten bewusst. Gleichzeitig bin ich angewiesen auf Gott. Darauf, dass er mir entgegenkommt. Auch deshalb mag ich die Himmelsleiter an der Lambertikirche so. Denn: Eine Leiter hat zwei Richtungen. Man kann hinaufsteigen und hinab. Die Himmelsleiter zeigt, dass da eine Verbindung zwischen Gott und Mensch möglich ist. „Die Himmelsleiter verbindet Himmel und Erde.“ Das sagen viele Leute, wenn ich sie frage, was sie an der Himmelsleiter so fasziniert.
Und vielleicht bietet sie deshalb auch einen besonderen Trost: ich kann mich aufrichten, den Kopf hochbekommen, einen weiten Himmel sehen. Sie deutet an, dass es noch mehr auf der Welt gibt als alles Dingliche.

Die Himmelsleiter ist nicht nur draußen am Turm der Lambertikirche zu sehen. Sie beginnt drinnen, in der Kirche. Seit ein paar Wochen hat sie einen neuen Platz. Sie hängt vom Gewölbe herab direkt über der Krippe. So wird noch deutlicher, was überliefert wird: Dieses Kind ist von Gott geschickt worden. So werden Himmel und Erde verbunden. Es zeigt uns, wie Gott zu uns steht. Welche Nähe Gott zu uns haben möchte. Gott will sogar selber Mensch werden und zwar mit allen Konsequenzen und sehr konkret: mit Wehen, Geburt, auf Hilfe und Zuwendung angewiesen, bedürftig nach Trost und in der Lage selber zu trösten. Gott ist sowas wie der höchste Tröster. Trösten ist also Chefsache! Dieser höchste Tröster hat ein Herz für uns. Ist entgegenkommend. Gibt uns von seiner Kraft ab. Gott sagt mir jedes Mal, wenn es mir schlecht geht: „Ich bin traurig mit dir. Ich ahne deinen Schmerz. Ich bin für dich da. Ich habe Kraft und Energie für dich mit.“

Musik 5: John Rutter: Angel´s Carol

Beim Anblick der Krippe spüre ich diesen Trost. Und beim Anblick der Himmelsleiter. Beim Singen und Hören der Weihnachtslieder. Und ich glaube an die Kraft, die daraus entstehen kann. Werde ich getröstet, entsteht neue Energie, denn der Trost schafft ein bisschen Abstand zu dem, was mich betrübt.

In diesem jetzt zu Ende gehenden Jahr gäbe es genug Gründe den Kopf hängen zu lassen. „Wo bleibt der Trost der ganzen Welt?“ könnte man mit einem alten Adventslied fragen. Ich finde den Trost und die Kraft tatsächlich in diesem Kind. Aus diesem Kind wird der erwachsene Jesus. Er kennt das Leben eines Menschen mit allen Höhen und Tiefen. Seine Worte richten mich auf, spornen mich an, diesen Zuspruch weiter zu verteilen. Er gibt mir alle Möglichkeiten selber erfinderisch zu sein. Zum Beispiel beim Trösten.
Das fängt in der Familie und Nachbarschaft an. Ein aufmerksamer Blick, eine zupackende Hand. Und ist mühelos fortsetzbar bei der Arbeit, in meiner Stadt oder in meinem Dorf.

Da, wo so ein Trost gelingt, da berühren sich Himmel und Erde. Zuversicht und Hoffnung bekommen Hand und Fuß. Vielleicht ist das ja mit Menschwerdung gemeint.

Ich wünsche Ihnen eine tröstliche Zeit, die Sie erfreut und in Schwung bringt!

Musik: Jauchzet frohlocket, aus dem Weihnachtsoratorium, Johann Sebastian Bach


Ich wünsche Ihnen ein frohes und trostreiches Weihnachtsfest!

Ursel Schwanekamp, Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Lamberti und am Paulusdom in Münster

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