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Das Geistliche Wort | 07.01.2024 | 08:40 Uhr

Von der Gotteskindschaft – Zusage und Anspruch

Guten Morgen!

Katholische Christen feiern heute das Fest der Taufe des Herrn, mit dem die Weihnachtszeit offiziell endet. Und im Markusevangelium heißt es passend dazu in den heutigen katholischen Gottesdiensten (Mk 1,9–11):

„Jesus aus Nazaret in Galiläa ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“

Die evangelische Kirche kennt zwar kein eigenes Tauffest Jesu, doch wird auch in ihren Gottesdiensten heute der entsprechende Text gelesen – allerdings aus dem Matthäusevangelium. Schaut man einmal zurück, dann wurde vor zwei Wochen erst die Geburt Jesu an Weihnachten gefeiert und gestern das Fest der Heiligen Drei Könige, die dem Jesuskind huldigten bzw. Epiphanias, wie es in der evangelischen Kirche heißt. Heute nun der erwachsene Jesus, der von Johannes im Jordan getauft wird und dessen öffentliches Auftreten damit beginnt. Der Übergang wirkt vielleicht ein wenig abrupt. Doch gleicht die Taufe einem Startschuss, der den Beginn eines neuen Abschnitts im Leben Jesu markiert. Damit unterscheidet sich Jesus in keiner Weise von jedem Getauften: Mit der Taufe beginnt ja etwas Neues. Sie markiert nach christlichem Verständnis eine neue Lebensqualität, einen neuen Lebensinhalt.

Musik I: Nikolaus Harnoncourt: Johann Sebastian Bach, Christ unser Herr zum Jordan kam (BWV 007)


Vor rund zwei Monaten nahm ich an einer Wort-Gottes-Feier teil, zusammen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Ausbildungskurses zur Leitung genau solcher Gottesdienste ohne Priester. Nach der Ansprache stellten sich alle rund um das Taufbecken in der Kirche. Jeder und jede war nun eingeladen, einzeln an das Taufbecken zu treten, seinen Vornamen zu nennen und sich mit dem Wasser aus dem Becken zu bekreuzigen. Es war ein eindrücklicher, sehr persönlicher Ritus, der an die je eigene Taufe erinnerte. Daran haben wir in der Regel keine konkrete Erinnerung, da die meisten als Babys getauft werden. Umso wichtiger, sich die Taufe bewusst zu machen. Hinzu kommt: Unseren Vornamen haben wir uns auch nicht selbst gegeben. Unsere Eltern haben ihn für uns ausgesucht. Es ist das vielleicht vornehmste Recht der Eltern, ihre Kinder zu benennen – und zugleich eine hohe Verantwortung, denn mit seinem Vornamen muss ein Mensch sein Leben lang leben. Unser Vorname ist Ausdruck unserer Individualität und Persönlichkeit. Wir sind eben nicht einfach eine Nummer, die gezählt oder aufgerufen wird. Genau das geschah beispielsweise in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten, wo Gefangenen eine Nummer auf den Unterarm tätowiert wurde, und sie sich fortan mit dieser Nummer melden mussten. Das Ziel war klar: Die Gefangenen sollten ihre Persönlichkeit verlieren, sollten entmenschlicht werden. Wenn mein Gegenüber nur noch eine Nummer ist, dann verliert es an Würde und Achtung. Als letzte Konsequenz führte solches Denken zum millionenfachen Mord während der Nazidiktatur.

Wie hoch hingegen die Bedeutung des Namens im jüdisch-christlichen Menschenbild ist, zeigen einige Stellen in der Bibel. Da lässt der Prophet Jesaja zum Beispiel Gott sprechen: „Ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir“ (Jes 43,1) oder: „Ich habe deinen Namen in meine Hand geschrieben, ich habe dich immer vor Augen“ (Jes 49,16). Ein tolles Bild: Mein Name, der Name eines jeden Menschen eingezeichnet in Gottes Hand. Das ist etwas Anderes als manche es vielleicht vom Schummeln bei Klassenarbeiten kennen. Da hatte man sich Formeln und Vokabeln in die Handfläche geschrieben, um nicht durchzufallen oder um besser zu bestehen. Bei Gott geht es um viel mehr! Bei Gott kann keiner durchfallen. Jeder Mensch ist von Gott gewollt und gehört unverbrüchlich zu ihm. Er ist in Gottes Hand geborgen, umhüllt und geschützt. Nichts kann seinen Namen dort ausradieren und niemand kann ihn Gottes Hand entreißen – selbst der Tod nicht.

Musik II: Nikolaus Harnoncourt: Johann Sebastian Bach, Christ unser Herr zum Jordan kam (BWV 007)


Zurück zur Taufe: In ihr wird die Verheißung eines neuen, ewigen Lebens symbolisch sichtbar. Das kann man daran sehen, dass es in der Frühzeit des Christentums üblich war, den Täufling mit seinem Körper vollständig unter Wasser zu tauchen. Ein Doppeltes kommt hierin zum Ausdruck, in seiner Aussage sogar Gegensätzliches: Zum einen spendet das Wasser Leben. Ohne Wasser würde alles Leben verdursten. Zum anderen ist das Wasser lebensbedrohlich, ja tödlich. Ich denke da nur an die Opfer des Hochwassers im Ahrtal. Beim Untertauchen während der Taufe stirbt symbolisch der alte Mensch und der neue, von Gottes Gnade erfüllte taucht aus dem Wasser wieder auf.

In den orthodoxen Kirchen wird bis heute ausschließlich durch das Untertauchen des ganzen Körpers getauft. In der westlichen Kirche ist diese Form der Taufe zwar möglich, in der Praxis aber fast gänzlich verschwunden. Erst in jüngerer Zeit entdecken sie manche Gemeinden für sich wieder. So wurde vor einigen Jahren in der St. Agnes-Kirche in Hamm ein Taufbecken errichtet. Zur Taufe steigt der Täufling über einige Treppenstufen hinab, wird in der Mitte des Beckens untergetaucht und steigt auf der anderen Seite des Beckens wieder hinaus. Er durchschreitet den Ort der Taufe, die so zugleich zu einem Symbol des neuen Weges wird, den der getaufte Mensch von nun an mit Christus gehen will.

In aller Regel wird jedoch in der katholischen und evangelischen Kirche anders getauft: Der Kopf des Taufbewerbers wird dreimal mit Wasser übergossen. Dazu sagt der oder die Taufende: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ Auch diese Art der Taufe ist durchaus symbolträchtig. Von oben ergießt sich das Wasser auf den Täufling. Das erinnert nämlich an ein Wort Jesu im Johannesevangelium, wo er zu dem Schriftgelehrten Nikodemus sagt: „Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh 3,3). Und als Jesus gefragt wird, wie das möglich sei, präzisiert er: „Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5). Die Geburt von oben geschieht also durch Wasser und Geist. Wenn bei der Taufe das Wasser von oben über den Kopf des Täuflings gegossen wird, dann empfängt er den Heiligen Geist und wird so zu einem Kind Gottes. Interessant ist: Schon bei der Taufe Jesu ist die Stimme seines himmlischen Vaters zu hören gewesen: „Du bist mein geliebter Sohn“, also mein geliebtes Kind. Und so hat jeder und jede Getaufte die Gewissheit: Ich bin ebenfalls ein geliebter Sohn, eine geliebte Tochter des Vaters im Himmel.

Musik III: Nikolaus Harnoncourt: Johann Sebastian Bach, Christ unser Herr zum Jordan kam (BWV 007)


Ich finde es wichtig, sich immer wieder an die eigene Taufe und damit an die eigene Gotteskindschaft zu erinnern. Deshalb hängen in katholischen Kirchen im Eingangsbereich kleine Becken mit Weihwasser, also gesegnetem Wasser. Wer eine solche Kirche betritt, kann seine Hand in das Wasser eintauchen und sich damit bekreuzigen. Das Wasser, Element der Taufe, benetzt so vier Stellen des Körpers: den Kopf, den Bauch und beide Schultern – als solle der ganze Leib damit umfasst werden. Ich gebe zu: Oft mache ich das nur so im Vorbeigehen – aus Gewohnheit eben. Doch hin und wieder tauche ich sehr bewusst meine Finger in das Becken, bekreuzige mich und spreche still für mich: Ich bin getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Ritus ist für mich dann mehr als „nur“ eine Gewohnheit oder eine Erinnerung an ein lange zurückliegendes Ereignis. Ich mache mir bewusst, dass die Taufe die Basis für mein ganzes bisheriges Leben ist. Das hört sich vielleicht etwas übertrieben an: die Basis für mein ganzes bisheriges Leben. Doch es ist so! Ich kann mein Christsein nicht von den übrigen Inhalten meines Lebens abtrennen und will es auch nicht. Beides gehört für mich zusammen. Anders gesagt: Ich bin nicht nur innerhalb eines Kirchenraums Christ, so als spielte mein Glaube außerhalb des Gebäudes keine Rolle. So wie ich in leiblicher Hinsicht mein Leben lang 24 Stunden am Tag der Sohn meiner Eltern bin und bleibe, bin und bleibe ich aufgrund meiner Taufe rund um die Uhr ein Kind Gottes – auch ein Leben lang. Das gilt nicht nur für mich, sondern aus christlicher Perspektive für jeden Getauften.

Übrigens: Für die eingangs erwähnten Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kurses zur Leitung von Wort-Gottes-Feiern ist die Taufe die Grundlage für ihren Dienst in der Kirche. Und in gleicher Weise gilt dies für jeden und jede, die sich in liturgischer, caritativer oder katechetischer Weise, in Verbänden oder Gremien in der Kirche engagieren. Mehr noch: Das Engagement der Christen ist nicht auf den kirchlichen Raum beschränkt. Ob in der Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft oder wo auch immer: Getaufte sollen ihren Glauben leben und bezeugen, um „wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen“ (LG 31). So hat das jedenfalls einmal das Zweite Vatikanische Konzil vor 60 Jahren formuliert. Bis zum Konzil war es zudem beim Taufritus noch üblich, dem Täufling einige wenige Salzkörner auf die Zunge zu legen. Er sollte das Salz der Weisheit empfangen – so hieß es damals –, um Gott in der Welt entschieden und weise zu bezeugen. Und das nicht nur mit Worten, sondern auch in Taten. Oder mit den Worten Jesu ausgedrückt: Jeder Getaufte soll „Salz der Erde“ (Mt 5,13) sein.

Damit ist ein ganz schön hoher Anspruch verbunden. Natürlich bin ich mir bewusst, dass ich dem oft genug hinterherhinke, ihm nicht gerecht werde. Aber ich kann es mir zumindest immer wieder vornehmen – jeden Tag neu: „Sei Salz der Erde und misch dich ein.“ Und ich glaube fest, dass Gott mir dabei hilft, dem hohen Anspruch eines christlichen Lebens in der Welt immer mehr zu entsprechen.

Das Kreuzzeichen, das ich mit dem gesegneten Wasser über mich mache, ist Ausdruck dieses meines Glaubens. Indem ich mich bekreuzige, bitte ich implizit um Gottes Schutz und Beistand: für diesen Tag, für ein bestimmtes Vorhaben, für meine ganze Existenz. Ich tue dies im Vertrauen darauf, dass Gott mir wie jedem Getauften zugesprochen hat: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter. Ich lasse dich nicht allein, ich stehe dir bei.“

Musik IV: Nikolaus Harnoncourt: Johann Sebastian Bach, Christ unser Herr zum Jordan kam (BWV 007)


Mit dem heutigen Sontag, dem Fest der Taufe des Herrn, enden für die Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen die Weihnachtsferien und für viele Beschäftigte ihr Weihnachtsurlaub. Die festlichen Tage von Weihnachten, Neujahr und Dreikönige, die Tage der Erholung und Entspannung sind damit definitiv vorüber. Morgen beginnt wieder der Alltag. Insofern markiert der heutige Sonntag für sehr viele Menschen einen Übergang und einen Aufbruch. Ich finde es gut, dass das dieses Jahr mit dem Fest der Taufe Jesu zusammenfällt, eben seinem Aufbruch in einen neuen Abschnitt seines Lebens. Wie wäre es also, sich heute einmal bewusst der eigenen Taufe zu erinnern? Und wenn Sie nicht getauft sind: Ich glaube, die Zusage Gottes gilt allen Menschen, er wird treu zu Ihnen stehen, weil er zu Jesus und damit zu allen Menschen gesagt hat: „Du bist und bleibst mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!“

Einen guten, von Gott gesegneten Start in diesen Sonntag und die kommende Woche wünscht Ihnen voller Zuversicht Domvikar Gregor Tuszynski aus Paderborn.


Musik V: John Eliot Gardiner; English Baroque Solists: Johann Sebastian Bach, Violinkonzert a-Moll (BWV 1041)


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