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Kirche in WDR 5 | 18.04.2024 | 06:55 Uhr
Gerechtigkeit soll blühen
Guten Morgen,
“Das ist aber ungerecht”, moppert Emma und stampft mit dem Fuß auf. Das Gesicht hat sie zu einem Schmollmund verzogen, so als wenn sie gleich anfangen würde zu heulen. “Immer darf Antonia länger aufbleiben als ich. Ich bin doch auch schon groß.” Emmas Mutter kontert: “Du bist aber vier Jahre jünger und der Film ist erst ab zwölf.“ Emma rennt aus der Küche und verschwindet heulend wie ein Schlosshund in ihrem Zimmer. Kinder nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn sie etwas total ungerecht finden. Da kann alles rechtens zugehen, und es gute Gründe dafür geben, dass sie anders behandelt werden. Aus ihrer Sicht geht das gar nicht. Aber mir begegnet das auch als Erwachsene immer wieder. Alles geht mit rechten Dingen zu, und dennoch finde ich es ungerecht. Wenn zum Beispiel die eigene Fußballmannschaft das ganze Spiel über dominiert, viel mehr Torchancen hat als die gegnerische Mannschaft, eindeutig die bessere Mannschaft ist, man sie schon eine Runde weiter sieht im Turnier, die Stimmung unter den Fans auf dem Höhepunkt ist und am Ende, 30 Sekunden vor dem Abpfiff, die anderen doch noch einen Ball ins Tor stolpern und gewinnen. Alles in Ordnung, kein Abseits, alle Regeln beachtet - und trotzdem ungerecht. Oder wenn ich höre, dass bei einem Dozenten Klausuren an der Uni so schwer sind, dass die Studierenden reihenweise nicht bestehen und nochmal ranmüssen, und es dann erstaunlicherweise bei anderen Profs im nächsten Semester für alle klappt. Also, je nachdem, an wen man gerät, stehen die Chancen erfolgreich zu sein unterschiedlich. Und letztens haben wir einen Zuschussantrag gestellt für eine Veranstaltung. Wir hatten alle Kosten aufgeführt und warteten noch auf die schriftliche Zusage. Bevor die kam, mussten wir aber zwei Rechnungen der aufgeführten Kosten unbedingt schon bezahlen. Damit konnten sie dann später bei der Abrechnung nicht mehr berücksichtigt werden. Nach den Richtlinien korrekt, für uns nicht wirklich einleuchtend. Beispiele für rechtmäßiges Handeln, das dann doch individuell als ungerecht empfunden wird, gibt es zuhauf. Wir geraten an unsere Grenzen, wenn wir Gerechtigkeit herstellen möchten. Deshalb geben wir uns ja Regeln und Gesetze, damit nicht alle nach ihren eigenen Maßstäben entscheiden und handeln. Sonst kämen wir nie auf einen Nenner. Aber ganz selten finden wir Lösungen, die alle in gleicher Weise gerecht finden oder für alle gleichermaßen gerecht sind. Es bleibt ein Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Wenn wir es für alle gerecht machen wollen, kommen wir ebenso an unsere Grenzen, wie wenn wir Frieden herstellen möchten oder Freiheit für alle erreichen. Das kann, so glauben es Christinnen und Christen, nur einer, der größer ist als wir, Gott. Und so versuchen wir es wenigstens immer wieder und bitten Gott um seinen Beistand. Denn: “Gottes Hilfe ist denen nah, die zu ihm gehören. Dann wohnt seine Herrlichkeit wieder in unserem Land: Gerechtigkeit und Frieden küssen sich… Gerechtigkeit scheint vom Himmel herab.” (aus Psalm 85,10-12, BasisBibel) Dass es für Sie und für möglichst viele Menschen auf der Welt gerecht zugehen möge, das wünsche ich uns heute Morgen.
Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3
Ihre Barbara Schwahn, Krefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze