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Das Geistliche Wort | 20.05.2024 | 08:40 Uhr

Aufstehen

Früher Morgen – der Wecker läutet: für Langschläfer – eine Qual, für Frühaufsteher wie mich – ein willkommener Impuls, frisch in einen neuen Tag zu starten. Egal, zu welcher Gruppe Sie gehören, für die meisten Menschen verlaufen die ersten Minuten nach dem Wachwerden immer gleich: Sich räkeln und strecken, Radio einschalten, Nachrichten auf dem Smartphone checken, Kaffee kochen.

Gute Gewohnheiten, um in Schwung zu kommen und sich auf den Tag vorzubereiten. Denn ein passender Einstieg frühmorgens entscheidet schon oft darüber, wie es weitergeht.

Für mich gehört als Ritual die so genannte Pfingstsequenz dazu, ein mehr als 800 Jahre altes Gebet. Dieses Gebet richtet sich an den Heiligen Geist und ich bete es jeden Morgen. Es beginnt mit den Worten: „Komm herab, o Heiliger Geist!“ Eine Einladung: So lade ich Gottes Geist in den jeweiligen Tag ein. An sich müsste er gar nicht eingeladen werden, weil er nach christlichem Verständnis schon da ist. Daher gilt die Einladung auch mir: „Komm!“ Ich versetze mich in Gottes Gegenwart, aus welcher ich im Laufe des Tages denken, reden und handeln will.

Mit diesem Gebet werfe ich schon einen Blick auf das, was vor mir liegt, mit welchen Menschen ich es heute zu tun haben werde und was zu bewältigen ist. Dieses „Komm!“ ist für mich daher auch ein Wagnis. Es schließt nämlich alles Unbekannte mit ein. Weil sich nicht alles planen und vorhersehen lässt, wage ich dennoch diesen Vorstoß im Vertrauen: Gottes Geist ist da. Er steht mir bei! Guten Morgen!

Musik I: Cinquecento; Philipp Schoendorff, Veni Sancte Spiritus


Beistand

Auf den Heiligen Geist als Beistand zu setzen, das stärkt mich. Ich bin zuversichtlich: Mit ihm gelange ich sicherer durch die Höhen und Tiefen des Lebens. Schon in der Schule – da kenne ich mich als Lehrerin aus – ist der Wunsch nach einem Beistand zu beobachten: Werden Kinder oder Jugendliche nämlich zur Schulleitung geschickt, fragen sie meistens, ob nicht jemand mitkommen kann. Auch vor einer vielleicht ungünstigen medizinischen Diagnose bitten wir gern jemand Vertrautes, uns zum Arzt zu begleiten. Und vor Gericht ist es geradezu selbstverständlich, einen Rechtsbeistand bei sich zu haben. Eine Begleitung schafft zwar nicht das aus der Welt, was mir auf der Seele liegt oder wovor ich mich fürchte, aber sie vermittelt Sicherheit – und das beruhigt. Ich bin zuversichtlich, dass es im Beisein eines anderen Menschen nicht ganz so schlimm wird, denn ich muss das, was mir bevorsteht, nicht allein meistern.

Bestätigt finde ich das beim Evangelisten Markus. Der schreibt (Mk 13,11):

„Und wenn man euch abführt und ausliefert, macht euch nicht im Voraus Sorgen, was ihr reden sollt; sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt! Denn nicht ihr werdet dann reden, sondern der Heilige Geist.“

Alleine schon in Begleitung durch einen anderen Menschen fühle ich mich besser. Die Meinung eines guten Freundes oder einer Freundin zählt, hilft, öffnet neue Perspektiven. Ich traue sogar einem anderen fremden Menschen zu, dass seine Sichtweise die richtige sein kann, die es sich zu überprüfen lohnt, denn der Heilige Geist wirkt in allen und in allem. Davon bin ich überzeugt.

Um ihn jedoch wahrzunehmen, muss ich Vorurteile lassen und mit ihm rechnen. Geistesgegenwärtig möchte ich meinen Alltag gestalten. Dem, was mir begegnet und mich gedanklich beschäftigt, will ich auf den Grund gehen. Was mir widerfährt, beruht nicht auf einem blinden Schicksal, sondern liegt in Gottes Hand.

Setze ich so auf das Wirken des Geistes, bleibe ich beweglich in meinem Denken und offen für neue Ideen oder Wege.

Und dann gibt es auch noch die unerwarteten Geistesblitze! Sie stellen sich für gewöhnlich nicht durch langes Nachdenken ein, sondern sie blitzen tatsächlich unerwartet auf. Sie beleben mich, machen mich mutiger, freier.

Das Wort „be-geistern“ trifft es genau. Ein Gedanke zündet. Es kommt etwas in mir in Gang, wofür ich brenne und wofür ich all meine Energie einsetze.

Musik II: Johann Sebastian Bach, Ich liebe den Höchsten von ganzem Gemüte, (BWV 174). Bach Collegium Japan: Masaaki Suzuki; Robin Blaze


Zeit für den Geist

Die Sache mit dem Heiligen Geist ist aber nicht nur einfach: Der Heilige Geist entzieht sich konkreten Vorstellungen, deshalb zweifeln wohl manche an seinem Wirken. Er eignet sich nicht dazu, unverrückbare Meinungen zu zementieren und seine Überraschungen sind mitunter alles andere als bequem. Klar, ich kann ihm ausweichen und aufs Abstellgleis schieben. Aber er ist doch da. Wie wäre es, ihm Raum und Zeit zu schenken, dass er mich inspiriert, denn ich glaube: Der Geist Gottes macht es am Ende gut. Daher kann ich nur davor warnen, den Pfingstmontag als Feiertag abzuschaffen. Zwar sagen Wirtschaftsfachleute und Unternehmensverbände, dass an diesem Tag so viel Geld erwirtschaftet werden könnte, dass damit Sonderausgaben des Bundes oder die Rentenkassen finanziert werden könnten. Manche sagen, der Sinn für das Pfingstfest sei in weiten Teilen unserer Bevölkerung ohnehin verloren gegangen. Deswegen sei ein freier Tag nicht mehr gerechtfertigt. Doch Greifbares und materielle Absicherung sind nicht alles! Anders als manche Nachbarstaaten hält Deutschland an diesem gesetzlichen Feiertag fest! Und die Franzosen haben diesen arbeitsfreien Pfingstmontag sogar wieder eingeführt. Denn im Leben geht es um mehr als um Wirtschaftliches!

In unserem Land also haben die meisten Menschen heute frei: zweckfreie Zeit! Zusätzlich, gratis! Sie haben sich für heute vielleicht etwas Besonderes vorgenommen – ein Frühstück mit Freunden, einen Ausflug mit der Familie, Besuch bei Verwandten? Oder Sie feiern einen Gottesdienst mit, der sie vielleicht begeistert. Ich denke ja überhaupt: Das Beste im Leben können wir uns nicht verdienen, es wird uns geschenkt. Und genau dafür steht der Heilige Geist! Und seine Gaben sind vielfältig. Sie lassen sich im Leben entdecken – dafür haben wir heute Zeit – allein oder zusammen mit anderen. Ich muss sie nur nutzen.

Musik III: Jacques Berthier, Veni sancte spiritus. Mitglieder der Dresdener Kirchenchöre; Günter Schwarze; Mitglieder des Bläserkollegiums Dresden


Wirksamkeit

Wenn es um den Heiligen Geist geht, dann wird es auch ganz persönlich: Wenn ich ihn morgens schon bitte „Komm!“, so ist das ein risikoreicher Wunsch. Ich signalisiere nämlich, ihn hören und wahrnehmen zu wollen, vielleicht sogar, die Regie über den Tag mit ihm zu teilen. Ich gestehe ihm zu, meine Bedürfnisse, Entscheidungen und Ideen an seinen leisen Impulsen auszurichten.

Dieser Ruf nach dem Geist geht so:

„Komm herab, o Heiliger Geist,

der die finstre Nacht zerreißt,

strahle Licht in diese Welt.

Komm, der alle Armen liebt,

komm, der gute Gaben gibt,

komm, der jedes Herz erhellt.“

Im Verlauf nimmt das Gebet um den Heiligen Geist also menschliche Grunderfahrungen und Befindlichkeiten in den Blick. Es ist die Rede von „finsterer Nacht“ – ein Bild für Einsamkeit und Krankheit, für Armut und Ausgegrenztsein, Leid und Schuld. Für wie viele Menschen in Kriegsgebieten und zwischen den Fronten von Konfliktparteien herrscht heute gerade absolute Finsternis! Wie viele gibt es, die unter seelischer Not leiden! Unzählige Erfahrungen von Nacht prägen unsere Zeit. Daher der Ruf: „Komm!“ „Komm Heiliger Geist!“

Angesichts sich ausbreitender Angst und Not traue ich dem Heiligen Geist die Kraft zu, grundlegend etwas zum Besseren zu wenden.

Das „Komm!“ ruft aus größter Not und vertraut auf Hilfe durch den Geist:

Persönlich erlebe ich es zum Beispiel am Bett eines Kranken, ganz real, wie der Heilige Geist Gutes vermag: Ich bin gefordert zu bleiben, zugleich erlebe ich mich als hilflos und ratlos. Und doch: Durch stilles Beten um den Heiligen Geist verändert sich die Situation, zunächst für mich: Ich kann diese Situation mittragen. Und das wirkt sich aus – auch auf den Kranken. Vielleicht spürt er, da ist jemand, der bei mir ist. Er wird ruhiger, kann vielleicht aussprechen, was so quälend auf ihm lastet oder kann annehmen, was auf ihn zukommt. Sollte hier nicht der Geist Gottes wirken?

Übrigens: Konkrete Bitten für den Alltag fehlen im Beten um den Heiligen Geist. Er soll nicht diesen oder jenen Wunsch erfüllen oder für bestimmte Wünsche verzweckt werden. Wie er wirken soll, bleibt offen, ebenso, was durch ihn im Einzelnen passiert. Das Gebet sagt eher etwas über sein Wesen aus. Wie heißt es doch gleich in dem Ruf an den Heiligen Geist:

„Komm, der alle Armen liebt,

komm, der gute Gaben gibt,

komm, der jedes Herz erhellt.“

Für mich spiegelt sich darin die menschenfreundliche Art Gottes wider. Und so spendet der Heilige Geist Trost, schenkt Freude und erfrischt. Sein Kommen bewirkt etwas im Menschen, „dass Kaltes und Hartes erwärmt wird“ oder „dass er Erstarrtes löst“. Sein Wesen und sein Wirken sind durch und durch positiv.

Musik IV: Johann Sebastian Bach, Erschallet ihr Lieder (BWV 172). Thomanerchor Leipzig; Neues Bachisches Collegium Musicum Leipzig; Rotzsch, Hans-Joachim


In Form bleiben

Der Ruf nach dem Heiligen Geist, das Pfingstgebet, gefällt mir als Tageseinstieg auch deshalb so gut, weil es immer aktuell ist. Ein Beispiel: Was heute als Sehnsucht nach einer Work-Life-Balance gilt, fasst das Gebet zum Heiligen Geist in die Worte:

„In der Unrast schenkst du Ruh

hauchst in Hitze Kühlung zu.“

Wie gut das doch tut, denn wie treiben mich Termine, Stress, Belastungen im Berufsleben, in dem Kloster, dem ich angehöre, oder in der Sorge um Angehörige? Was drängt sich nicht alles in mein Leben durch irgendwelche Nachrichten. Allein jeder Klingelton vom Handy schreckt auf. Und wie steht es mit den zahlreichen, oft widerstrebenden Ansprüchen, werde ich ihnen gerecht? Wie oft stehe ich unter Druck?

Das Gebet zum Heiligen Geist lautet nun nicht, es möge alles ruhig vonstatten gehen. Der Heilige Geist bewahrt keineswegs vor allem Umtrieb. Vielmehr heißt es: „In der Unrast schenkst du Ruh.“

Für mich heißt das: Erst einmal tief durchatmen, denn dann gerate ich nicht so schnell an meine Grenzen. Ich bleibe dann in bedrängenden Situationen etwas gelassener und ignoriere die inneren Antreiber. Besser erst nachdenken als überstürztes Handeln! Geduldig zu bleiben, ist besser, als rastlos von einem Ort zum anderen zu hetzen.

Ja: „In der Unrast schenkst du Ruh.“

Im Laufe eines Tages mit einem großen Arbeitspensum mahnt mich genau dieser Satz mit seiner Bitte um Gelassenheit. Oder anders: Ich spüre, trotz aller Eile und Hektik bin ich innerlich gehalten. So wirft mich das äußere Vielerlei nicht aus der Bahn.

Schließlich noch etwas, was mir an dem Gebet um den Heiligen Geist aufgeht: Der Heilige Geist wird als Schöpfer angerufen. Er schafft Neues und wirkt durch uns. Auch jeder Mensch ist auf je persönliche Weise schöpferisch. Um die eigene Kreativität jedoch zu erhalten, benötige ich auch schöpferische Pausen. Wer braucht solche Ruhephasen nicht? Gerade heutzutage fühlen sich viele Menschen am Ende ihrer Kräfte – ich sage nur Burnout – und wünschen sich Ruhe in aufreibenden Situationen. Wer erschöpft ist, sitzt wie in einer Falle, aus der er nur schwer entrinnen kann. Hier ein Reset, ein Ruf: „Komm Heiliger Geist!“ „Sei Quelle und Kraft, die Leben schafft“[1], wie es in einem neuen geistlichen Lied so wunderbar heißt. Dennoch ist es nicht leicht, bei sich selbst einzukehren, sich zu besinnen, besonders dann nicht, wenn ich lange nach außen hingelebt habe. Das Pfingstgebet „Komm herab, o Heiliger Geist“ beschreibt bildreich, welche Stimmungen in meinem Inneren herrschen, und das Gebet lenkt den Blick über das Alltägliche hinaus, weitet den Blick und schenkt mir neue Perspektiven. Der Geist Gottes ist wie ein Platzhalter für neue Möglichkeiten, denen ich vertrauen darf.

Dabei steht für mich fest: Der Heilige Geist ist wie eine schöpferische Liebe, die im Hier und Jetzt lebt. Und sie ist unerschöpflich.

Durch gelegentliches Innehalten im Laufe eines Tages zapfe ich diese Quelle immer wieder an. Und wende mich so ab von allem, was mit Härte, Unbeugsamkeit und Starrsinn einhergeht. Als Geist, der heilt und wärmt, der löst und lenkt, hat er verwandelnde Kraft. Mit ihm verbunden entdecke ich Schönes und Frohmachendes. Und: es wachsen in mir Dankbarkeit und Vertrauen.

Ich bin Schwester Ancilla Ernstberger aus dem Michaeliskloster in Paderborn und wünsche Ihnen einen geistreichen Pfingstmontag!

Musik V: Johann Sebastian Bach, O ewiges Feuer, oh Ursprung der Liebe (BWV 34). Chor der J. S. Bach-Stiftung St. Gallen; Rudolf Lutz


[1] Eugen Eckert, „Bewahre uns Gott“, zitiert nach GL 453

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