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Kirche in WDR 5 | 21.05.2024 | 06:55 Uhr
„Notizzettel“
Gerne hänge ich sie an den Kühlschrank oder die Wohnungstüre. Oft sind sie kanariengelb und verfügen über das Maß 8,25 mal 8,25 cm. Auf der Rückseite tragen sie einen schmalen Streifen Klebstoff, der sich gut wieder lösen lässt. Gemeint sind die Klebe- und Haftzettel oder auch als „Post-it“ bekannt.
Entstanden sind sie übrigens schon 1968. Und dabei waren sie eher ein Zufallsprodukt. Der US-amerikanische Chemiker Spencer Silver aus einem Technologiekonzern in Minnesota tüftelte an einer Formel für einen neuen Klebstoff, der viel stärker sein sollte als alle bisher bekannten. Heraus kam leider nur eine klebrige Masse, die sich viel zu einfach wieder ablösen ließ. Eine daraus entstandene Pinnwand, an der man Zettel einfach kleben und wieder lösen konnte, geriet einige Jahre in Vergessenheit.
Ausgerechnet bei einer Kirchenchorprobe hatte die klebrige Masse von Spencer Silver dann ihr Comeback: Arthur Fry, ein Kollege von ihm, ärgerte sich darüber, dass ihm seine Lesezeichen in den Gesangbüchern immer wieder herausfielen. Da erinnerte er sich, dass sein Kollege doch einen Klebstoff entwickelt hatte, der dieses Problem beheben könnte. Er brachte ihn aus dem Labor mit und siehe da: diese Lesezeichen konnte er anbringen und auch einfach wieder lösen, ohne, dass die Noten kaputt gingen. Von da aus verbreitete sich dieses Post-it über die ganze Welt.
Warum ich Ihnen heute davon erzähle? Weil der 21. Mai in den USA der „National Memo Day“ ist – der Tag des Notizzettels. Wer diesen kuriosen Feiertag ins Leben gerufen hat, ist genauso wenig bekannt wie die Wahl des Datums.
Und inzwischen gibt es viele digitale Alternativen, um sich an etwas zu erinnern. Ich muss Ihnen aber gestehen: Ich selbst bin von den gelben Klebezetteln noch nicht weggekommen. Am Schreibtisch erinnern sie mich daran, dass ich noch jemanden anrufen will, am Kühlschrank, dass ich noch ein neues Paket Butter brauche oder an der Türe, dass ich die Heizung doch runter drehe, wenn ich länger weg bin. Von diesen Klebezetteln lasse ich mich gerne an etwas erinnern und sie helfen mir, etwas nicht zu vergessen, das im gefüllten Alltag sonst doch untergehen würde: „Vergiss es nicht!“
Eine Erinnerung an ein solches „Vergiss nicht!“ kommt auch mehrfach in der Bibel vor, zum Beispiel im Buch der Psalmen, dem Gebetsschatz der Bibel. Der Betende in Psalm 103 sagt: „Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ (Ps 103,2)
Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat! Ja, das kann auch mir manches Mal passieren, dass ich das wirklich vergesse; wenn der Tag durchgetaktet ist mit Terminen oder eine schlimme Nachricht nach der anderen reinkommt. Dann geht es unter, dass Gott mir doch viel Gutes schon getan hat und ich es nur noch als selbstverständlich hinnehme. Dann ist es wie mit den Haftzetteln: der Klebstoff lässt sich gut lösen und der Zettel und seine Botschaft sind weg.
Die Notiz, dass Gott mir Gutes getan hat, bleibt aber hoffentlich das ganze Leben haften. Und deshalb schreibe ich mir heute diesen Psalmvers auf ein Post-it: „Vergiss nicht, was Gott dir Gutes getan hat!“ Vielleicht verändert das auch meinen Blick auf alles andere – auch auf das Negative.
Einen erinnerungsreichen Tag wünscht Ihnen heute Pfarrer Andreas Möhlig aus Aachen.